«Die Schluckfähigkeit stösst an Grenzen» : Mit Bundespräsident Merz auf der Suche nach den UrsachenNZZ am SONNTAG:
Bundespräsident Merz möchte wissen, warum das Ja zum Minarettverbot zustande gekommen ist. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» sagt er, er könne das wachsende Unbehagen gegenüber Ausländern nachvollziehen. Manche Schweizer fühlten sich im eigenen Land bedrängt.«Ein Baureglement gegen eine Religion – das kann nicht funktionieren.» Bundespräsident Hans-Rudolf Merz in seinem Amtssitz «Bernerhof». (Bern, 4. Dezember 2009) Bild: NZZ am SONNTAGNZZ am Sonntag: Sie sagten vor den Medien, Sie wollten den saudischen König anrufen. Was werden Sie ihm sagen?Hans-Rudolf Merz: Ich kenne ihn, ich kenne Saudiarabien. Und ich habe ein aufgeschlossenes Verhältnis zu muslimischen Staaten. Ich werde dem König unsere demokratischen Verfahren erklären. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir müssen uns nicht entschuldigen, wir müssen informieren. Ich hatte auch schon ein Gespräch mit dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer.
Hat er Sie angerufen?Ja. Ich freue mich, dass er sich für unser System interessiert. Auch unseren Nachbarn ist es nicht in allen Details bekannt.
Was hat Herrn Fischer denn beschäftigt?Die Initiative interessiert im Ausland nicht zuletzt auch deshalb, weil dort ähnliche Fragen auftauchen wie bei uns und weil sich dort zum Teil gleiches Unbehagen manifestiert.
Hätte man die Initiative für ungültig erklären müssen? Man liess das Volk im Glauben, es könne frei abstimmen, und jetzt heisst es, es müsse juristisch geklärt werden, ob das Minarettverbot überhaupt durchsetzbar sei.Diese Frage ist berechtigt. Heute prüft das Parlament die Gültigkeit von Volksinitiativen. Verstösst eine Initiative gegen zwingendes Völkerrecht, ist sie ungültig und darf nicht zur Abstimmung gebracht werden. Nur: Ob es sich um zwingendes Völkerrecht handelt, ist nicht immer einfach zu beurteilen. Vielleicht sind gewisse Fragen neu zu klären: Braucht es ein anderes Organ für die Vorprüfung? Soll man gar nicht mehr prüfen – nach dem Motto: Volkes Stimme ist Gottes Stimme?
Ist das für Sie eine Option?Nein. Allein schon der Begriff «Volk» wurde immer wieder missbraucht. Eine Gültigkeitsprüfung ist nötig. Zu überlegen ist jetzt allenfalls neu, wie intensiv eine Initiative vorgeprüft wird und wer das tun soll. Das ist aber nicht die erste Frage, die sich nach der Abstimmung stellt.
Was ist die erste Frage?Ich möchte wissen, warum dieses Ergebnis zustande gekommen ist. Die Frage der Zuwanderung hat dabei sicher eine Rolle gespielt. Max Frisch sagte einst: «Man rief Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.» Mit den Menschen kommen auch Werte, Religionen, Traditionen. Die steigende Zahl von Andersdenkenden provoziert Fragen: Werden sie uns einschränken, unterwandern, eines Tages sogar beherrschen? Das Unbehagen wächst – und mit ihm das Bedürfnis, zu sagen: Bis hierher und nicht weiter.
>>> Interview: Heidi Gmür, Markus Häfliger | Sonntag, 06. Dezember 2009
La Suisse dialoguera, mais ne s’excusera pasTRIBUNE DE GENÈVE:
MINARETS | Le Conseil fédéral va prendre langue avec la communauté musulmane de Suisse et avec les Etats étrangers pour «expliquer le vote de dimanche». Pour le Conseil fédéral, l’heure est au dialogue. Cinq jours après la décision du peuple suisse d’interdire l’érection de minarets, Hans-Rudolf Merz a annoncé hier après-midi qu’Eveline Widmer-Schlumpf allait «dans le courant du mois» s’entretenir avec la communauté musulmane de Suisse.
Les autorités fédérales vont aussi engager le dialogue avec l’étranger, et particulièrement les pays musulmans. Elles s’efforceront de faire comprendre que le vote n’était pas dirigé contre les musulmans, leur culture et leur religion, mais très spécifiquement contre la construction de minarets. «Nous allons leur expliquer cette décision qui correspond aux standards démocratiques suisses. Mais nous n’allons pas présenter d’excuses», a déclaré le président de la Confédération. A titre personnel, il a annoncé qu’il allait téléphoner au roi d’Arabie saoudite, rencontré le printemps dernier.
>>> Frédéric Ravussin (Berne) | Samedi 05 Décembre 2009