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Sunday, March 20, 2011

Interview mit Arnold Hottinger: "Es gibt eine neue, nicht-ideologische politische Kraft"

QANTARA.DE: Die Volksaufstände in der arabischen Welt haben die bisherige politische Ordnung der autoritär regierten Staaten zum Teil komplett auf den Kopf gestellt. Im Gespräch mit Mona Sarkis erläutert der Nahostkenner Arnold Hottinger die Auswirkungen und Perspektiven der Proteste in der Region.

Herr Dr. Hottinger, Ägypten und Tunesien sind die arabischen Länder, die – wie Sie sagen – den "ersten Akt", also den Sturz des Diktators, hinter sich haben und sich im zweiten Akt befinden. Wie könnte der in Ägypten Ihres Erachtens aussehen?

Arnold Hottinger: Die Armee übernahm die Macht mit Versprechungen, aber ob die Ägypter erhalten, was sie wollen – echte Wahlen, Parteienfreiheit, Informationsfreiheit, neutrale Gerichte – ist unklar. Die Armee, deren Oberhäupter tief im bisherigen System verankert sind, ist es noch nicht gewohnt, sich dem Staat unterzuordnen. Zugleich muss sie auf ihre unteren Ränge Rücksicht nehmen, da die Leutnants ungefähr so denken wie die Studenten und sie im Gegensatz zu den Armeekadern weder Positionen noch Privilegien zu verteidigen haben. Das war auch der Grund, weshalb die Armee nicht auf die Demonstranten geschossen hat. Sie wollte ihr eigenes Auseinanderbrechen verhindern.

Maßgeblich ist nun: wann und was wird zuerst gewählt? Ein Präsident, ein Parlament oder eine gesetzgebende Verfassung? Dabei ist es noch zu früh, über Amr Moussa oder Mohammad el-Baradei zu spekulieren. Auch haben sie alle noch keine Parteien und deren Organisation hängt vor allem vom Zeitpunkt der Wahlen ab. Echte demokratische Strukturen kann man nicht von heute auf morgen aufbauen. Daneben gibt es auch die wirtschaftliche Seite und die verhält sich genau umgekehrt: je länger die Übergangszeit andauert, desto unwahrscheinlicher werden beispielsweise die so wichtigen Auslandsinvestitionen.

Sie erwähnten Baradei und Moussa – hierzulande wird vor allem über die Muslimbrüder spekuliert, mitunter auf dämonisierende Weise.

Hottinger: Die Europäer meinen, jetzt einen politischen Begriff von den Muslimbrüdern zu haben, mit dem sie operieren können. Das ist Unsinn, weil die Muslimbrüder im Begriff sind, sich zu teilen. Die einen wollen eine Demokratie, die anderen auch – aber eine islamische. Hinzu kommen Abspaltungen wie "Wassat", die schon lange keine Muslimbrüder mehr sind und auch eine demokratische Grundidee vertreten. Also, diese Angst vor den Muslimbrüdern ist lächerlich. Sie sind nicht mehr das Gespenst, das sie vielleicht 1949 waren. » | Interview: Mona Sarkis | © Qantara.de 2011 |

Arnold Hottinger, geb. 1926 in Basel, berichtete von 1961 bis 1991 für die Neue Zürcher Zeitung aus Beirut, Madrid und Nikosia über die arabisch-muslimische Welt. Er ist unter anderem der Autor von "Gottesstaaten und Machtpyramiden" (2000), "Islamische Welt" (2004) und "Die Länder des Islam" (2008).

Redaktion: Arian Fariborz, Lewis Gropp/Qantara.de


WIKI: Arnold Hottinger »

Sunday, September 06, 2009

Libyen-Affäre: «Qadhafi hat sein Gesicht verloren»

TAGES ANZEIGER: Bundespräsident Merz hätte versuchen sollen, Qadhafi zu treffen. Selbst wenn dies bedeutet hätte, drei Tage lang auf ihn zu warten, sagt Nahost-Experte Hottinger.

Herr Hottinger, haben Sie eine Ahnung, wann die beiden Schweizer Geiseln freikommen?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder erlässt Qadhafi einen Gnadenakt – danach sieht es allerdings nicht aus – oder es gibt neuen Druck auf die Schweiz. Wenn Qadhafi das im Sinn hat, behält er natürlich sein Pfand.

Man hat den Eindruck: Qadhafi will die Schweiz schmoren lassen.

Seine Idee, die Schweiz aufzuteilen, zeigt, dass Qadhafi die Temperatur sogar noch etwas erhöhen möchte. Das würde heissen: Sein Rachebedürfnis ist noch lange nicht gestillt. Jetzt kommt es sehr auf die Geschicklichkeit der Schweiz an. Dabei muss sie sich an Qadhafi orientieren, nicht an den Regeln des Rechtsstaats. Der Rechtsstaat hat in Libyen keine Bedeutung. Man muss schauen, wie man Qadhafi beschwichtigen kann.

Was also würden Sie dem Bundesrat raten?

Zuerst einmal: Nicht in Panik verfallen. Weiter braucht es eine Ouvertüre, in der sich Qadhafi in Szene setzen kann, nicht seine Minister. Es war wohl ein Fehler, dass Bundespräsident Hans-Rudolf Merz mit einem Minister verhandelt hat, und dann das Angebot, «du kannst den grossen Chef sehen», nicht wahrnehmen wollte oder nicht wahrnehmen konnte. Das hätte geheissen, auf Qadhafi zu warten.

Anmerkung: Laut Recherchen der Online-Redaktion des «Tages-Anzeigers» hat Bundesrat Merz bestritten, dass es ein Angebot zu einem Gespräch mit dem lybischen Staatschef gab.

Unter Umständen hätte das dauern können.

Ja, aber wenn der Bundespräsident die Reise schon unternimmt, hätte er wohl warten müssen, vielleicht drei Tage lang. Das wäre auch dann der Fall gewesen, wenn er von vornherein ein Rendezvous zugesichert bekommen hätte.

So oder so heisst das: Die Schweiz muss sich demütigen lassen.

Das sollte man nicht so schweizerisch sehen. Es handelt sich um eine Stammesangelegenheit zwischen zwei Stämmen, dem libyschen und dem schweizerischen. Wir sind in einer Fehde. Wenn zwei Stämme streiten, braucht es einen Schiedsrichter. Das muss so über die Bühne gehen, dass Qadhafi nicht sein Gesicht verliert. >>> Von Ruedi Burger | Samstag, 05. September, 2009

Arnold Hottinger: Die Länder des Islam >>>

TAGES ANZEIGER:
Libyen widerspricht Merz: Rückkehr der Geiseln nie zugesagt: In der Schweiz liege wohl ein Missverständnis vor, sagt der libysche Vize-Aussenminister – und erzählt seine Version der Abmachung. >>> oku/sda/ap | Sonntag, 06. September 2009