Es waren skurrile Bilder, die sich nach der Einnahme afghanischer Städte wie Herat und Kabul im Netz fanden: Taliban, die sich im Autoscooter oder auf Kinderkarussells vergnügen, das Fitnessstudio im Präsidentenpalast testen oder Eis lutschend für Fotos posieren. Viele Afghanen hatten noch die Aufnahmen öffentlicher Hinrichtungen im Fussballstadion von Kabul während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 vor Augen und daher eher mit Bildern von Racheakten gerechnet. Doch den Taliban ist offenbar daran gelegen, den Westen und die Afghanen im In- und Ausland zu beruhigen: Wir kommen in friedlicher Absicht, alles geht normal weiter, auch wir haben menschliche Regungen – dies vermitteln die von ihnen verbreiteten Bilder.
Die Skepsis angesichts dieser Bilder ist gross. Doch sie zeigen, dass die Taliban kommunikationstechnisch dazugelernt haben. Während des ersten Taliban-Regimes waren Fernsehen, Internet und Musik verboten. Mittlerweile gibt es Dutzende von Radio- und Fernsehstationen im Land. 70 Prozent der Afghanen nutzen ein Mobiltelefon, und mehrere Millionen Afghanen sind in den sozialen Netzwerken aktiv. Auch die Taliban nutzen inzwischen intensiv die Internetplattformen, um zu kommunizieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Während Facebook sie von seiner Plattform verbannt hat, da es sie als Terrororganisation einstuft, dürfen sie auf Twitter weiter kommunizieren. » | Elena Panagiotidis | Samstag, 28. August 2021