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Saturday, April 03, 2010

Kommentar: Die Kirche muss ohne Ausflüchte bereuen

WELT ONLINE: Schon Jesus schlug sich auf die Seite der Sünder – allerdings verlangte er, dass sie bereuten. Wenn die Kirche sich seines Vorbilds als würdig erweisen will, muss sie die Missbrauchsskandale lückenlos und ohne Ausflüchte aufklären. Zur Reue gehört die schonungslose Selbstbefragung.

Nein, so einfach ist es nicht: Man kann nicht schlankweg erklären, die Osterbotschaft von der Auferstehung sei so begeisternd, dass all die schrecklichen Missbrauchsfälle zumal in der katholischen Kirche die Freude über das Fest nicht trüben könnten.

In der Bibel gehört zur Osterbotschaft, dass sie erzählt wird, dass sie nicht zu haben ist ohne Menschen, die sie weiter tragen. Als Maria Magdalena den Auferstandenen sieht, aber nicht erkennt, als sie begreift und nur ein Wort sagt: „Rabbuni“, Meister – da darf sie ihn nicht berühren, sondern wird von Jesus sofort losgeschickt, damit sie den Jüngern berichte. Am Abend erscheint er selbst den Jüngern und sagt ihnen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Loslaufen, erzählen – das ist Ostern.

Darin zeigt sich einerseits die Menschlichkeit des Christentums. Da geistert nicht ein abstraktes Dogma umher, sondern lebt die Botschaft in und von Menschen, die sie berichten sollen. Andererseits macht dies die Botschaft verletzlich. Weil sie von Menschen lebt, müssen diese sich ihrer würdig erweisen. Sonst wird das Evangelium beschädigt. >>> Von Matthias Kamann | Samstag, 03. April 2010

Wednesday, January 13, 2010

Kommentar: Europa will einfach nicht klüger werden

WELT ONLINE: Die EU wächst und wächst, aber stärker wird sie nicht. Wenig könnte das deutlicher machen als die beiden neuen Funktionsträger der Union. Herman Van Rompuy und Baronin Ashton of Upholland gehören dem Typus Zellophan-Politiker an: Ernst und gewissenhaft, aber so unscheinbar, dass man sie kaum wahrnimmt.

In dem Musical „Chicago“ gibt es eine wahrlich triste Figur – den Mann von Roxy Hart, der Hauptdarstellerin. Mr. Hart ist ein total unscheinbarer Mensch, lieb bis zur Selbstverleugnung, aber niemand nimmt irgendwie Notiz von ihm. In einer ergreifend anrührend gesungenen Nummer nennt er sich daher „Mr. Cellophane“, Mister Zellophan. Man sieht förmlich durch mich hindurch, klagt er, als gebe es mich nicht, man geht achtlos an mir vorbei wie an einem Phantom.

Dieses Bild fällt einem ein, wenn man an die beiden neuen Funktionsträger der EU denkt, den Präsidenten sowie die Hohe Repräsentantin für Außen- und Sicherheitspolitik. Herman Van Rompuy und Baronin Ashton of Upholland werden pflichtbewusst an ihre Arbeit gehen, wie Catherine Ashton bei ihrer Anhörung im Brüsseler Parlament gestern glaubhaft bekannte. Dem europäischen Demos freilich wird ihre Tätigkeit weitgehend schleierhaft bleiben, weil sie sich im Herzen einer Bürokratie abspielt, die mit jedem neuen EU-Vertrag undurchsichtiger und entrückter geworden ist.

Fragt man die Briten, ob sie schon einmal von Lady Ashton – und sie war eine echte, mit Sitz im Oberhaus – gehört hätten, wird man in 99 von 100 Fällen zur Antwort bekommen: Wie bitte – Catherine who? Lady Zellophan könnte sich durch die Menge bewegen, und niemand würde von ihr Notiz nehmen. Die Hoffnung, ihre Kandidatur könnte die Briten wenigstens mit ein wenig Stolz erfüllen und das Land damit etwas enger an die EU gebunden haben, ist weit gefehlt. >>> Von Thomas Kielinger | Dienstag, 12. Januar 2010