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Thursday, October 23, 2014

Rekrutierer des "Islamischen Staats" im Interview: "Demokratie ist etwas für Ungläubige"


SPIEGEL ONLINE: Wie tickt der "Islamische Staat"? Wie sehen seine Anhänger die Welt? Ein IS-Rekrutierer schildert SPIEGEL ONLINE, wie sich die Extremisten die Zukunft vorstellen. Streitgespräch mit einem kompromisslosen Radikalen.

Die Bedingungen des Islamisten sind streng: Kein Foto, keine Tonaufnahmen, seinen richtigen Namen verrät er sowieso nicht. Ebenso wenig, aus welchem Land er stammt, nur dass er Araber sei. Sein Englisch ist geschliffen, mit britischem Akzent.

Abu Sattar nennt er sich, ein etwa 30-jähriger Mann mit dichtem, schwarzem Vollbart, der ihm bis zur Brust reicht, die Haare über der Oberlippe wegrasiert, den Kopf kahlgeschoren. Er trägt ein schwarzes, bodenlanges Gewand. In einer ledernen schwarzen Aktentasche transportiert er einen in ein Tuch gewickelten Koran.

Abu Sattar rekrutiert in der Türkei Kämpfer für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Er prüft die Gesinnung der Interessenten, die aus vielen Ländern der Welt in die Türkei reisen und von hier in den "Heiligen Krieg" in den Irak oder nach Syrien ziehen wollen. Mehrere IS-Anhänger haben ihn unabhängig voneinander als Gesprächspartner empfohlen. Als jemanden, der am besten erklären könne, wofür der IS stehe. Für viele sei er so etwas wie ein ideologisches Vorbild.

Nach einigem Zögern willigt Abu Sattar in ein Treffen ein. Er vereinbart einen Termin und verspricht, rechtzeitig einen Ort zu nennen. Aber dann lässt er die Verabredung platzen, nur um einen Tag später abermals ein Treffen auszumachen, am Morgen, an einem öffentlichen Platz. Diesmal taucht er tatsächlich auf: ein Mann mit braunen Augen hinter einer rahmenlosen Brille. Er wirkt selbstsicher und streitlustig, bestellt Tee und lässt während des Gesprächs eine Gebetskette mit Holzperlen durch seine Hände gleiten. zum Interview » | Hasnain Kazim | Donnerstag, 23. Oktober 2014

Wednesday, March 04, 2009

Die saudischen Schiiten – Staatsbürger oder Ungläubige? : Unvollendete Integration droht in Konfrontation umzuschlagen

NZZ Online: Seit der Gründung des wahhabitisch geprägten Staates wird die schiitische Minderheit Saudiarabiens diskriminiert. Nach einer Periode der Annäherung an den saudischen Staat sind viele Schiiten ernüchtert und fordern grundlegende politische und religiöse Veränderungen.

tm. Katif, im Februar

An einem wolkenverhangenen Freitagnachmittag spielen in einem Vorort von Katif zwei lokale Fussballteams um den Sieg in der Regionalliga. Der Fussballplatz ist uneben, mehr Acker als Spielfeld, und wird von keinem Flutlicht beleuchtet. Spieler und Zuschauer sind Schiiten, denn Katif ist eine schiitische Stadt im sonst wahhabitisch geprägten Saudiarabien. Die meisten wahhabitischen Religionsgelehrten sehen die Schiiten als Ungläubige und erlassen bis heute Fatwas, die es erlauben, Schiiten wegen ihres Glaubens umzubringen. Da die Religionsgelehrten seit der Staatsgründung mit der Königsfamilie der Al Saud in politischer Symbiose leben, wurden die Schiiten religiös, politisch und wirtschaftlich unterdrückt. Einige der Zuschauer beklagen sich, dass diese Diskriminierung bis hin zu den Fussballplätzen reiche: «In Riad gibt es keine solchen Fussballplätze, dort ist alles hochmodern eingerichtet und wird von der Regierung bezahlt. Aber wir Schiiten müssen für unsere Sportplätze selber aufkommen, daher spielen wir auf diesem Acker.»

Die Opposition des Königs

Hinter einem der Tore stehen für die Ehrengäste Stühle und Bänke bereit, die Armlehnen einiger Sessel sind vergoldet. Auf einmal fahren zwei Geländewagen mit getönten Scheiben auf das Feld, und der Moderator verkündet durchs Mikrofon die Ankunft von Scheich Hassan as-Saffar. Dieser steigt aus dem Auto, begleitet von mehreren Leibwächtern, umarmt viele der Ehrengäste und setzt sich dann auf einen der goldenen Sessel. Saffar ist einer der berühmtesten religiösen und politischen Führer der saudischen Schiiten und vertrat in den letzten 15 Jahren oft die Interessen dieser Gemeinschaft gegenüber dem saudischen Staat.

In den siebziger Jahren hatte Saffar eine revolutionäre Organisation gegründet, die nach 1979 von Iran unterstützt wurde. Zur Rekrutierung benutzte diese Organisation unter anderem Fussballklubs, denn diese waren und sind noch heute eine der wenigen legalen Foren, in denen sich Männer versammeln können. Nachdem die Schiiten Saudiarabiens, inspiriert von der iranischen Revolution, erfolglos selber den Aufstand geprobt hatten, gingen Hunderte von Aktivisten ins Exil. Erst 1993 handelten sie ein Abkommen mit der saudischen Regierung aus. Der damalige König Fahd versprach eine Generalamnestie, die Freilassung Hunderter von politischen Gefangenen und eine langsame Aufhebung der religiösen Diskriminierung. Eineinhalb Jahrzehnte nach diesem Abkommen sind viele saudische Schiiten desillusioniert. Obwohl die ersten beiden Forderungen erfüllt wurden, fühlen sie sich weiterhin diskriminiert. >>> tm | Mittwoch, 4. Marz 2009

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