DIE WELT: Der Bundespräsident wird deutlicher als Regierung und Bundestag: Gauck benennt das Massaker an Armeniern im Osmanischen Reich ohne Umschweife als Völkermord – und erinnert an die deutsche Mitschuld.
Bundespräsident Joachim Gauck benennt die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren klar als Völkermord. In seiner Rede auf der zentralen deutschen Gedenkveranstaltung im Berliner Dom verwendet er in der entscheidenden Passage wortgleich die Formulierung, auf die sich zuvor auch die Bundesregierung und die schwarz-rote Koalition verständigt hatten: "Das Schicksal der Armenier steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von der das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist."
Im späteren Verlauf der Rede, als Gauck die Mitschuld des damaligen Deutschen Reichs an den Gräueltaten anspricht, wird er deutlicher und stuft die Geschehnisse gänzlich ohne Umschweife als Völkermord ein: "In diesem Fall müssen auch wir Deutsche insgesamt uns noch der Aufarbeitung stellen, wenn es nämlich um eine Mitverantwortung, unter Umständen sogar Mitschuld, am Völkermord an den Armeniern geht." Im Ersten Weltkrieg waren Armenier im Osmanischen Reich als vermeintliche Kollaborateure mit dem Feind systematisch vertrieben und umgebracht worden. Zwischen 200.000 und 1,5 Millionen Menschen kamen nach Schätzungen ums Leben. Die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs lehnt die Bezeichnung "Völkermord" vehement ab. » | Von Claudia Kade, Redakteurin Innenpolitik | Donnerstag, 23. April 2015