WELT ONLINE: Mit viel Geld erkauft sich der Alte Kontinent Ruhe in seinen Hinterhöfen und Energiesicherheit. Demokratie und Menschenrechte sind Nebensache.
Nicht erst seit Husni Mubaraks Rücktritt, schon mit der Flucht des tunesischen Diktators Ben Ali war den Europäern klar: Das ist der Beginn des völligen Wandels einer Region, die der Alte Kontinent gestern noch als stabilen Hinterhof betrachtet hat. Die Menschen auf den Straßen von Tunesien und Ägypten haben ihre Diktatoren davongejagt und damit Europa vor Augen geführt, dass sein jahrelanges Mühen als vermeintliche Speerspitze der Demokratie just jene bestraft hat, die diese Demokratie wirklich wollten.
Stattdessen hielt man, mit Milliarden Euro ausstaffiert, den Status Quo aufrecht, um die Stabilität nicht preiszugeben. Menschenrechte und politischer Pluralismus verschwanden hinter realpolitischer Abwägung: „Im Süden ist es die Angst, dass eine islamistische Opposition durch demokratische Wahlen an die Regierung kommt, und auch die Kooperation bei der Kontrolle von Flüchtlingsströmen“, sagt Rosa Balfour, Analystin am European Policy Center. „Dazu kommt die Eindämmung des Nahost-Konflikts und die Beziehungen mit Ländern, die auf Energieressourcen sitzen.“
Mit unzähligen Abkommen versucht die Europäische Union Nachbarschaftsregionen im Süden und Osten, aber auch weit darüber hinaus, an sich zu binden. In den vergangenen drei Jahren zahlte Brüssel an die Länder der Südlichen und Östlichen Partnerschaft mehr als 200 Millionen Euro allein für Demokratie- und Menschenrechtsprogramme. Auch Ägyptens Regierung bekam durch Dauerprojekte für den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen 39 Millionen Euro.
Die Gelder flossen oft auch dann noch, wenn Menschenrechtler den Umgang der geförderten Regierenden mit ihren Bürgern anklagten, Sanktionen folgten nicht. „Warum sollten die Führer dieser Länder einlenken, wenn die EU sie so oder so weiter unterstützt?“, fragt Lotte Leicht von Human Rights Watch.
Angeblich reformbereite Partner wollen nichts von Demokratie wissen, das zeigen die schon jetzt historischen Abgänge Mubaraks und Ben-Alis. Die Liste von Europas heikelsten Alliierten aber ist noch länger. Eine Auswahl. >>> Autor: S. Bolzen und C. Schiltz | Samstag, 12. Februar 2011