Menschen sind verletzliche Wesen. Für diese Verletzlichkeit sensibel zu werden, ist deshalb sicherlich ein moralischer Fortschritt. Die Me-Too- und Black-Lives-Matter-Bewegungen gingen in den letzten Jahren mit einem weiteren Sensibilitätsschub einher. Seither herrscht Verunsicherung. Ist die Frage «Wo kommst du her?» kruder Rassismus oder nur eine harmlose Erkundigung? Wo fängt Sexismus an: Erst beim Griff an den Hintern, oder bereits beim Gebrauch des generischen Maskulinums?
Klar ist: Die Grenzen des Zumutbaren werden gerade neu vermessen. Nicht allen will das einleuchten, einige fühlen sich gegängelt. Für sie mangelt es gegenwärtig in erster Linie an Resilienz und Widerstandskraft. Hatte Nietzsche nicht recht, als er schrieb: «Was mich nicht umbringt, macht mich stärker!» Auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Setzen wir mit diesem Imperativ nicht unsere Verletzlichkeit und letztlich Menschlichkeit aufs Spiel?
Am Philosophischen Stammtisch diskutieren Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger mit der Philosophin Svenja Flasspöhler, Autorin des soeben erschienenen Buches «Sensibel», und dem Philosophen Dominique Künzle, der sich unter anderem als Feminist bezeichnet.
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