NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: Bekannte Aktivistinnen werden von Taliban-Kämpfern gesucht und müssen untertauchen. Auch viele andere Frauen wagen sich in Kabul nicht mehr aus dem Haus. Sie fürchten um ihren Job und all die hart erkämpften kleinen Freiheiten.
Die Afghaninnen haben Angst. So grosse Angst, dass derzeit kaum eine über ihre Situation sprechen will. Schon gar nicht, wenn man sie namentlich nennen will. Selbst gestandene Politikerinnen und international bekannte Aktivistinnen sind untergetaucht. Viele haben Drohungen erhalten, andere fürchten, mit kritischen Äusserungen über die Taliban ihre Familien in Gefahr zu bringen oder ihre Organisationen und Hilfsprojekte noch angreifbarer zu machen, als sie sowieso schon sind. Einige sagen am Telefon aber auch entschuldigend, sie seien derart fertig und deprimiert, dass sie im Moment nicht reden könnten.
Drohungen und schwere Übergriffe
Afsana* ist schon wenige Tage vor der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan untergetaucht. Sie ist die Gründerin und Leiterin einer NGO mit mehreren hundert Mitarbeitern. Sie sei völlig traumatisiert, für ein längeres Interview habe sie keine Nerven, sagt sie. Schliesslich fasst sie den Horror der letzten Wochen in Textnachrichten zusammen: «Die Taliban sind sechsmal gekommen, um mein Haus zu durchsuchen. Sie haben mein Geld gestohlen und meinen Schmuck. Sie haben alle Zimmer verwüstet, Fenster und Glastüren eingeschlagen. Sie haben Verwandte von mir stundenlang verhört, um meinen Aufenthaltsort herauszufinden.» Die Taliban gehen seit ihrer Machtübernahme in Kabul mit Listen von Haus zu Haus. » | Andrea Spalinger | Mittwoch, 25. August 2021