SPIEGEL ONLINE: Das Vorgehen der Regierung Erdogan gegen die Demonstranten in Istanbul bringt die EU in eine Zwangslage. Einerseits wollen die Europäer die Gewalt nicht tolerieren, andererseits aber die Türkei als Partner halten. Die nächste Runde der Beitrittsgespräche ist in Gefahr.
London/Berlin - Wieder waren es Bilder der Gewalt, die aus Istanbul die Wohnzimmer Europas erreichten. Mit Bulldozern und Wasserwerfern rückte die Polizei in der Nacht zu Mittwoch auf den Taksim-Platz vor. Gasbomben wurden abgefeuert, Wasserwerfer jagten Demonstranten, Tränengasschwaden verhüllten die Straßen. Am Morgen waren die Reste der Schlacht auf dem geräumten Platz zu besichtigen.
Das harte Durchgreifen der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan stellt die EU-Partner vor ein Dilemma. Seit der Eskalation der Bürgerproteste am Gezi-Park Ende Mai schauen die Europäer dem Geschehen hilflos zu. Ein Appell hier, eine Ermahnung da, mehr kam bisher nicht aus Brüssel, Berlin, Paris und London.
Die Partner sorgen sich, dass die Gewaltexzesse alle Fortschritte der vergangenen Monate zunichte machen könnten. Mühsam hatte man sich nach Jahren der Eiszeit wieder aufeinander zu bewegt. Am 26. Juni wollten die EU-Außenminister zum ersten Mal seit drei Jahren ein neues Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei öffnen. Es wäre das 19. von 35 Kapiteln. Nur eines wurde bislang vorläufig abgeschlossen. Zweifel in Westerwelles Ministerium » | Von Carsten Volkery und Severin Weiland | Mittwoch, 12. Juni 2013