Saturday, October 15, 2011

Religionszugehörigkeit: Israelisch ja, jüdisch nein

FRANKFURTER ALLGEMEINE: Mehrere Hundert Israelis haben beim Innenministerium beantragt, künftig als „Bürger ohne Religion“ registriert zu werden. Sie protestieren damit gegen die Macht der orthodoxen Rabbiner.

Der israelische Schriftsteller Yoram Kaniuk hatte in der vergangenen Woche nur den Anfang gemacht. Am Sonntagabend reichten die Sitzplätze auf dem Dach des unbewohnten Gebäudes am Tel Aviver Rothschild-Boulevard nicht aus. Etwa 200 Israelis waren in das inoffizielle Hauptquartier der Protestbewegung gekommen, um dort Erklärungen zu unterschreiben, in denen sie verlangten, dass das Innenministerium auch sie künftig als Bürger „ohne Religion“ in seinen Registern führt.

„Die Kombination von Judentum und Demokratie funktioniert nicht“, sagte Kaniuk laut einem Bericht der Zeitung „Haaretz“. Die größten Feinde des Judentums seien das engstirnige Rabbinat und das religiöse Establishment, schimpfte der 81 Jahre alte Schriftsteller, der mit einer christlichen Frau verheiratet ist. Nach jüdischem Religionsrecht sind deshalb seine Kinder und Enkelkinder keine Juden wie er selbst; nur Kinder einer jüdischen Mutter oder Nicht-Juden, die vor ihren Rabbinern konvertierten, sind nach orthodoxem Verständnis Juden. Als die Behörden vor einiger Zeit auch seinen Enkelsohn als religionslos registrierten, hatte der Autor genug: Er zog bis vor das Tel Aviver Bezirksgericht, um durchzusetzen, dass das Innenministerium bei ihm die Religionszugehörigkeit streicht. Jetzt steht „jüdisch“ nur noch hinter seiner ethnischen Herkunft. » | Von HANS-CHRISTIAN RÖSSLER, JERUSALEM | Montag 10. Oktober 2011