SUEDDEUTSCHE: Was hat sich der deutsche Außenminister dabei gedacht? Erst schlug er sich auf die Seite der arabischen Freiheitsrevolutionen, ließ sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo feiern, dann forderte er den Sturz Gaddafis - nur um schließlich im Sicherheitsrat den Schwanz einzuziehen. Mit einer an Werte gebundenen Außenpolitik hat das nicht viel zu tun gehabt.
Die deutsche Bundeskanzlerin fährt in der Politik gerne auf Sicht, auf sehr kurze Sicht sogar. Da kann es schon mal vorkommen, dass man sich in der Auffahrt einer Autobahn vertut und auf die falsche Fahrbahn gerät. Dies ist dann eine hochgefährliche Situation - und zwar nicht nur für einen selbst, sondern vor allem auch für viele andere. Genau dies ist der deutschen Außenpolitik in der Causa Libyen geschehen.
Den eingetretenen Schaden für Deutschland kann man heute besichtigen. Die deutsche Politik hat in den Vereinten Nationen und im Nahen Osten ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt, der Anspruch der Bundesrepublik auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat wurde soeben endgültig in die Tonne getreten, und um Europa muss einem angst und bange werden.
Die Geschlossenheit der Vetomächte und der Mehrheit des Sicherheitsrates, die Unterstützung von Arabischer Liga und der Organisation Islamischer Staaten, die Beteiligung zweier arabischer Staaten an der humanitären Militärintervention - was wollte die Bundesregierung eigentlich noch mehr, um zuzustimmen? » | Eine Außenansicht von Joschka Fischer | Dienstag, 22. März 2011