NZZ ONLINE: Das Plebiszit zum Minarettverbot erregt nicht nur in der Schweiz die Gemüter. Ein international weitläufiges Echo zeigt, dass das Thema des Ineinandergehens von Kulturen noch weiterhin für Sprengstoff sorgen wird.
Einer aufgeklärten Bürgerin, einem welterprobten Zeitgenossen muss das Resultat der Abstimmung über die sogenannte Minarett-Initiative als beunruhigend erscheinen. War tatsächlich zu erwarten gewesen, dass der Souverän eines Landes, dessen Charakter aus Toleranz und Freiheitsliebe auch historisch bekundet ist, nun plötzlich ein Verbot von Minaretten in der Bundesverfassung verankern würde? So aber ist es gekommen, und seit Tagen laufen die Diskussionen: über das Verhältnis von direkter Demokratie und liberalem Rechtsstaat, über das – zu revidierende? – Selbstverständnis der schweizerischen Eidgenossenschaft, über mögliche Irrwege der «classe politique», über Fremd- und Eigenwahrnehmung, über Schäden und Folgelasten, über kulturelle Differenz und – einmal mehr – über die Psyche des helvetischen Kollektivs. >>> Martin Meyer | Samstag, 12. Dezember 2009