Friday, June 12, 2009

Kommentar: Gaddafi bleibt ein unappetitlicher Despot

WELT ONLINE: Der Enthusiasmus, mit dem Silvio Berlusconi den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi in Rom empfängt, ist befremdlich. Denn auch wenn Gaddafi deutliche Schritte unternommen hat, seine Beziehung zum Westen zu verbessern – er bleibt ein Diktator, der seine Bevökerung unterdrückt und Europa erpresst.

Photobucket
Diese Umarmung soll die Kolonialzeit vergessen machen: Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi besucht Italien. Am Flughafen von Rom wird er vom italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi mediterran begrüßt. Bild dank der Welt

Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi ist ein Diktator, der seine Bevölkerung unterdrückt. Er hat Terrorismus als Mittel der Politik eingesetzt, war einer der schlimmsten antiwestlichen Lautsprecher und hat die EU noch vor Kurzem im Falle der zu Unrecht verurteilten bulgarischen Krankenschwestern aufs Übelste erpresst. Andererseits ist er inzwischen ein wenig zur Vernunft gekommen, hat dem Terror abgeschworen und 2003 seine Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen aufgegeben.

Staatsbesuche des Meisters der politischen Kostümierung sind also ein schwieriger Balanceakt. Weil Gaddafi nun deutliche Schritte unternommen hat, seine Beziehung zum Westen zu verbessern, sollte er dafür auch ein bisschen belohnt werden. Und es ist nur zu begrüßen, dass Italien die Sünden seiner Kolonialherrschaft wiedergutmachen will. Solche Geschichtsaufarbeitung ist notwendig, unabhängig davon, wer gerade in Tripolis regiert.

Dennoch gilt es, das richtige Maß zu wahren. Gaddafi mag nicht mehr ganz der widerwärtige Schurke von einst sein, ein unappetitlicher Despot bleibt er aber doch. Deshalb befremdet der Enthusiasmus, mit dem ihn Frankreichs Präsident einst in Paris empfing und Silvio Berlusconi nun in Rom. >>> Von Clemens Wergin | Donnerstag, 11. Juni 2009

TAGES ANZEIGER: Qadhafi hetzt in Rom gegen die USA

Der libysche Revolutionsführer nahm heute im römischen Senat kein Blatt vor den Mund – er gönnte sich einen Seitenhieb gegen die USA.

«Wir sind gegen den Terrorismus, aber was ist der Unterschied zwischen dem Bombenangriff der USA auf Libyen 1986 und den Anschlägen von Osama bin Laden», sagte al-Qadhafi in seiner Funktion als Präsident der Afrikanischen Union (AU) in einer Neben-Aula des Senatsgebäudes.

Er bezog sich damit auf den Luftangriff der Amerikaner auf Tripolis und Bengasi vom April 1986 - als Reaktion auf den Bombenanschlag in einer Westberliner Diskothek, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen und zahlreiche andere verletzt wurden.

Die Beziehungen zwischen Libyen und den USA waren erst Anfang 2004 nach einer 23-jährigen Unterbrechung wieder aufgenommen worden. «Dass der Irak heute der Terrororganisation al-Qaida offen steht, ist allein Schuld der USA», sagte al-Qadhafi, denn Saddam Hussein sei «ein Bollwerk gegen den Terror» gewesen. >>> oku/sda | Donnerstag, 11. Juni 2009