DIE WELT: Das barbarische Ritual der Genitalverstümmelung bei Frauen wird in der muslimischen Welt viel öfter praktiziert als bekannt. Im Nordirak gehen Aktivisten von Dorf zu Dorf, um die Praxis zu bekämpfen.
Zwölf Frauen haben sich in der Lehmhütte des Dorfvorstehers in dem kleinen kurdischen Ort Jalamord in Irakisch-Kurdistan versammelt. Die Sozialarbeiterin Rozan Kader ist aus der Stadt Sulaimaniya angereist, um in der Hütte einen Film über weibliche Genitalverstümmelung zu zeigen. Einige Frauen murren, dass man sie von der Arbeit weggeholt habe.
Der Dorfvorsteher schaut kurz herein und fragt, ob alles in Ordnung sei. Dann sieht man auf der Leinwand eine Ärztin über medizinische Folgen dieses Eingriffs reden; anhand einer Zeichnung wird die weibliche Anatomie erläutert. Einige kichern, andere drehen sich beschämt weg.
Als ein islamischer Geistlicher auftritt, muss Kader den Film unterbrechen, weil wütendes Gemurmel seine Erläuterungen übertönt. "Warum wurde uns nicht gesagt, dass es nicht Sunna ist?", will eine ältere Frau wissen. Sunna bedeutet dem islamischen Recht folgend.
Kader erläutert: "Erst jetzt wissen die Theologen, dass weibliche Beschneidung schädlich ist. Deshalb haben sie im Koran und den Erzählungen über den Propheten gesucht und dabei nichts gefunden, was sie fordert." » | Von Hannah Wettig | Mittwoch, 06. Februar 2013