Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939. Die Zahl der gemäß Paragraph 175 verhafteten Männer ging während der Kriegsjahre zurück, da die Anforderungen eines totalen Krieges Vorrang vor der nationalsozialistischen Kampagne gegen Homosexualität hatten. Viele Männer, die nach Paragraph 175 verurteilt worden waren, traten in das deutsche Militär ein oder wurden einberufen. Das Militär brauchte diese Rekruten, und in den meisten Fällen wurde die Sexualität eines Soldaten als zweitrangig betrachtet. So auch im Fall von Albrecht Becker, einem deutschen Produktionsdesigner, Fotografen und Schauspieler, der vom NS-Regime wegen des Vorwurfs der Homosexualität inhaftiert wurde. Gegen Ende des Krieges, als die deutsche Armee mehr Männer brauchte, wurde Becker jedoch entlassen, um an der Ostfront zu dienen, was er bis 1944 tat. Albrecht Becker gehörte zu denjenigen, die den Krieg überlebten, und er starb 2002 im Alter von 95 Jahren in Hamburg.
Bei Kriegsende vernichteten die Nazis zahlreiche Akten, darunter auch das Archiv der Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und des Schwangerschaftsabbruchs. Wissenschaftler schätzen, dass es während des NS-Regimes etwa 100.000 Verhaftungen nach Paragraph 175 gab. In mehr als 53.000 Fällen kam es zu Verurteilungen.
Im Frühjahr 1945 befreiten alliierte Soldaten die Konzentrationslager und ließen die Gefangenen frei, darunter auch diejenigen, die den Rosa Winkel trugen. Doch das Ende des Krieges und die Niederlage des Naziregimes brachten keine umfassende Befreiung für schwule Männer, die nicht nur in der deutschen Gesellschaft ausgegrenzt blieben. Sexuelle Beziehungen zwischen Männern blieben in Deutschland weiterhin illegal. Viele Männer, die wegen angeblicher Verstöße gegen den Paragraphen 175 verurteilt worden waren, blieben auch nach dem Krieg im Gefängnis, und weitere Zehntausende wurden in der Nachkriegszeit verurteilt.
In Ostdeutschland wurde Homosexualität erst 1968 entkriminalisiert, in Westdeutschland 1969. Erst in den 1990er Jahren erkannte die deutsche Regierung "verfolgte Homosexuelle" als Opfer des NS-Regimes an. Als die Regierung 2002 die Verurteilungen aufgrund des Paragraphen 175 aus der Nazizeit aufhob, hatten schwule Männer, die unter den Nazis gelitten hatten, zum ersten Mal Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung für das erlittene Unrecht durch die deutsche Regierung.
Aufgrund der fortbestehenden Vorurteile gegen gleichgeschlechtliche Sexualität und der fortdauernden Strafverfolgung nach Paragraph 175 bis ins späte 20 Jahrhundert, wagten es viele schwule Männer nicht, über ihre Erlebnisse in der Nazizeit zu sprechen oder zu schreiben. Wir dürfen diese Männer nie vergessen, die starben oder bis an ihr Lebensende gezeichnet blieben, wenn sie überlebten. Ihre Geschichten und ihr Leiden müssen uns für immer an die Gefahren von Diskriminierung, Rassismus und Hass erinnern, denn oft wiederholt sich Geschichte.
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