Für Manfred Weber sollte man in der gesamten Debatte darauf achten, wofür die EU steht. Wenn es nur um einen Wirtschaftsraum ginge, dann könne man die Türkei in die EU aufnehmen. Doch für ihn als Vollblut-Europäer ist es eben nicht nur eine wirtschaftliche Perspektive, sondern viel mehr eine Identitätsfrage. Eine Identitätsfrage, die besonders mit Werten und Normen zu betrachten ist. Die Türkei, jüngst nach der gewonnenen Wahl von Erdogan, würde diese Werte nicht in jedem Punkt widerspiegeln. Und vor allem eine Einheit sei bei den europäischen Ländern die große Basis. Dass die Türkei immer noch ein Problem mit Schweden hat, passe eben nicht zu dem großen Bündnisgedanken der EU.
Doch für den deutsch-chinesischen Wirtschaftsexperten Felix Lee ist diese Sicht Manfred Webers eine alte Denkart. „Das ist eine eurozentristische Sichtweise“, argumentiert er gegen Manfred Webers Gedanken, dass die EU noch so stark und wichtig in ihren Werten sei. Für die Türkei, aber auch viele andere Länder wie Brasilien und afrikanische Staaten, stellt sich nicht mehr nur die Frage, ob Europa DER Partner für die Zukunft ist. China würde aktuell deutlich an Europa vorbei-ziehen. Diese Entwicklung könne man aktuell beim Ukraine-Krieg beobachten: Europa und der Westen stellen sich gegen Russland, aber es gebe auch viele Länder, die eine klare Position aus strategischen Gründen nicht einnehmen. Und dies zeige den Schwund der europäischen Bedeutsamkeit.