In Russland ist die Erinnerung an vergangene Zeiten allgegenwärtig – ein vom Kreml gewolltes Vehikel für Patriotismus. Am 9. Mai, dem Gedenktag des Sieges über Nazi-Deutschland, zieht Wladimir Putin eine direkte Verbindung zum Angriffskrieg gegen die Ukraine. Eine Oma, die im Donbass mit einer SU-Flagge wedelt, wird zum Symbol der Kriegstreiber und prangt in Sowjet-Manier überlebensgroß auf Häuserwänden. Das Regime weiß um die Macht der Bilder. Die Renaissance des Sowjetischen findet auch in der Gesellschaft statt – KGB-Methoden kehren zurück. Wer offen gegen den Krieg ist, kann verleumdet oder verhaftet werden. Auch das Private ist wieder politisch: Polizisten durchsuchen Smartphones nach kritischen Statements in sozialen Medien. Eltern denunzieren ihre Kinder, der Theaterregisseur Vsevolod Lisovsky führt Stücke inoffiziell auf der Straße auf. Er sagt: “Ein Klima der Angst macht sich breit, das viele an die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert”. Manizha, 2021 noch gefeierte Vertreterin Russlands beim ESC, engagiert sich heute gegen den Krieg. Nach einem Shitstorm rechnet sie mit Auftrittsverbot. Ein Journalist, der anonym bleiben will, zeichnet ein bedrückendes Bild der neuen Realität in Russland.
In der Ukraine möchte man das verhasste Erbe loswerden: Russische oder sowjetische Bauten sollen aus dem Land verbannt werden. Doch selbst in Kriegstagen warnen einige Architekten und Künstler davor, die Geschichte der Ukraine einfach umzuschreiben. Der Gegenentwurf: Transnistrien. Nirgendwo sonst ist die Dichte an Sowjet-Architektur und Lenin-Denkmälern größer als im abtrünnigen Landesteil der Republik Moldau. Andrey Smolenskiy organisiert hier touristische Führungen; trotz der angespannten Situation ist die Nachfrage groß.
Magazin (D 2022, 30 Min)
Video auf YouTube verfügbar bis 22/07/2023