Vor 175 Jahren wurde Europa von einer verheerenden Hungersnot heimgesucht. Ausgelöst wurde die Krise durch einen aus Südamerika eingeschleppten heimtückischen Pilz, der die Kartoffelernten vernichtete. In Frankreich, Belgien, Holland, Schottland und dem Königreich Preußen fielen Hunderttausende Menschen Hunger und Krankheiten zum Opfer.
In Irland, wo die Kartoffel das Hauptnahrungsmittel für die meisten Menschen darstellte, waren die Auswirkungen besonders extrem. Eine Million Iren starben, zwei Millionen wanderten zwischen 1845 und 1855 aus. Irland ist noch heute das einzige westliche Land mit einer geringeren Bevölkerungszahl als in den 1840er Jahren. Anhand von Gesprächen mit Historikern und von Zeitzeugenberichten ergründet „Die große Hungersnot in Irland“ die Hintergründe dieser humanitären Katastrophe des 19. Jahrhunderts auf dem europäischen Festland sowie in Großbritannien und Irland.
Der Dokumentarfilm veranschaulicht verheerende Zusammenhänge und Folgen: eine bäuerliche Unterschicht, die sich angesichts der existenziellen Bedrohung zu Mord, Plünderung und Kannibalismus getrieben sah; eine kapitalistische, meist britische Elite in Irland und Großbritannien, die vor nichts zurückschreckte, um die eigenen Interessen zu schützen. Irland war zwar seit 1801 offiziell scheinbar gleichberechtigt im Staatsnamen „Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland“ vertreten, de facto betrachteten die Briten Irland aber als eine ihrer vielen Kolonien. Deshalb gab es krasse Unterschiede beim Zugang zu Ressourcen. Eine skrupellose Mittelschicht schlug Profit aus dem Elend der Armen. Emigrationswellen erinnern an die heutige Zuwanderung aus Afrika und dem Nahen Osten nach Europa.
Der Dokumentarfilm geht auch auf die weitreichenderen Auswirkungen ein, die zum Teil bis in die Gegenwart hineinreichen: Die Krise führte 1846 zum Sturz der britischen Regierung unter Robert Peel, war Katalysator für die europäischen Revolutionen von 1848 und begründete die irische Diaspora, zu der sich heute mehr als 70 Millionen Menschen in aller Welt zählen. Und nicht zuletzt befeuerte sie den kulturellen Aufschwung und die Unabhängigkeitsbestrebungen Irlands. Erst gut 70 Jahre später, nach einem furchtbaren Weltkrieg und einem blutigen Bürgerkrieg, kam für Irland mit dem Irischen Freistaat die Unabhängigkeit und das Ende britischer Ausbeutung.
Dokumentarfilm von Ruán Magan (IE/F 2020, 91 Min)