Wednesday, September 01, 2021

Der Westen muss mit den Taliban reden, jede Hilfe und Kooperation aber an harte Bedingungen knüpfen

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: Sollen Europäer und Amerikaner die Taliban nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan anerkennen oder einmal mehr politisch isolieren? Keines von beidem! Aus humanitären und sicherheitspolitischen Interessen ist ein vorsichtiger Mittelweg gefragt.

Taliban-Kämpfer nach dem amerikanischen Abzug am Kabuler Flughafen. | Khwaja Tawfiq Sediqi / AP

KOMMENTAR

Die letzten westlichen Truppen sind aus Afghanistan abgezogen, und die Taliban wollen dieser Tage ihre Regierung präsentieren. Damit rückt für Amerikaner und Europäer die heikle Frage in den Vordergrund, wie man dem neuen Regime in Kabul begegnen will. Soll man pragmatisch sein und die neuen Herrscher am Hindukusch anerkennen? Oder soll man die Islamisten, die das Land zwanzig Jahre lang mit Krieg und Terror überzogen haben, weiterhin ächten und isolieren? Beide Wege bergen beträchtliche Risiken. Der Westen muss deshalb einen Mittelweg suchen.

Von der Realität eingeholt

Bis vor kurzem hatten die USA und die EU noch bekräftigt, sie würden keine Regierung anerkennen, die gewaltsam an die Macht gekommen sei. Dann fiel Kabul innert weniger Tage, und die Realität holte sie ein. Wenn die Politiker in Washington, Brüssel, Paris und Berlin die Afghaninnen und Afghanen nicht völlig im Stich lassen wollen, wie sie bei jeder Gelegenheit beteuern, müssen sie mit den neuen Machthabern reden oder gar kooperieren. Um die Evakuierung der eigenen Bürger zu ermöglichen, hat man dies in den letzten Tagen ja auch bereits getan. Auch im Bereich der humanitären Hilfe sollte man pragmatisch sein. » | Andrea Spalinger | Mittwoch, 1. September 2021