SPIEGEL ONLINE: Anfangs richtete sich der Widerstand nur gegen Diktator Assad, jetzt droht Syrien zum Schlachtfeld religiöser Konfessionen zu werden. Ein Bericht von US-Konfliktforschern zeigt: Salafistische Kämpfer dehnen ihren Einfluss aus - dafür gibt es fünf Gründe.
Vor einem Jahr war Ahmed ein junger Mann mit Dreitagebart, gefälschten Designer-Jeans und Gel in den Haaren. Nun trägt der Syrer einen dichten Bart, Uniform und verwendet in fast jedem Satz das Wort "Allah". "Wir werden siegreich sein, wenn Allah will. Wir haben Allah auf unserer Seite", sagt er.
Ahmed kuriert im nordlibanesischen Tripoli eine Verletzung aus: Seine rechte Hand wurde durchschossen. Der 21-Jährige stammt aus Bab Amr, dem Aufständischen-Viertel in Homs, das das syrische Militär nach monatelanger Belagerung nahezu dem Erdboden gleich gemacht hat. Seit der Regime-Offensive gegen Bab Amr hat Ahmed sich den Rebellenkämpfern angeschlossen und sich einen Bart wachsen lassen.
Je länger die Gewalt in Syriendauert, desto mehr verhärten sich die Fronten. Viele Syrer suchen Zuflucht bei ihrer religiösen Konfessionsgemeinschaft. Dort fühlen sie sich sicher, trotz des Zusammenbruchs der öffentlichen Sicherheit und des syrischen Staates.
Auf Seiten der Assad-Gegner besonders auffällig: die zunehmenden salafistischen Untertöne. Der Salafismus ist eine besonders konservative Strömung des sunnitischen Islams, ihre Anhänger legen großen Wert auf die Beachtung religiöser Rituale. Äußere Symbole sind ihnen wichtig. So eifern sie den frühen Gefährten des Propheten Mohammed nach, indem sie deren Kleidung und Bartlänge als Vorbild für ihr eigenes Aussehen nehmen. Unter den bewaffneten Rebellen untermauern immer mehr ihren Kampf gegen das Regime mit religiösen Begründungen - als Krieg gegen ein Regime von Irr- oder Ungläubigen. Assad gehört der alawitischen Minderheitskonfession an, die von Salafisten als Irrglaube betrachtet wird. » | Aus Tripoli berichtet Raniah Salloum | Mittwoch, 17. Oktober 2012