WELT ONLINE: Nick Clegg, Chef der britischen Liberalen, lässt die Spitzenkandidaten der etablierten Großparteien alt aussehen. In Umfragen schießt seine Partei auf ungeahnte Höhen. Unter der Führung des ungewöhnlichen Politikers könnte sie das bipolare britische Parteisystem bei der Wahl am 6. Mai aufbrechen.
Wer ist Nick (Nicholas William Peter) Clegg? Die Frage interessiert nicht nur die britische Öffentlichkeit, sie trifft inzwischen auch auf beträchtliche weltweite Neugier.
Denn von diesem Namen könnte eine Rundumerneuerung der britischen Politik ausgehen, das Ende der traditionellen Bipolarität zwischen der Labour-Partei und den Konservativen, hin zu einem Dreiparteiensystem mit der Möglichkeit von Koalitionen in Westminster - bisher undenkbar.
Eine einzige TV-Debatte zwischen den drei Anführern der größten britischen Parteien am vergangenen Donnerstag hat genügt, den Chef der Liberalen, Nick Clegg, wie ein neues politisches Gestirn aufleuchten zu lassen.
Man kann den Vorgang nur vergleichen mit dem Starruhm einer Susan Boyle, der schottischen Hausfrau, die vor einem Jahr über Nacht dank des TV-Wettbewerbs "Britain's Got Talent" als Stimmenwunder entdeckt wurde und zu globaler Berühmtheit aufstieg - wie vor ihr schon Paul Potts.
Ihren Durchbruch erzielte sie mit der Nummer "I Dreamed A Dream In Time Gone By", was nicht besser passen könnte auch auf einen Nick Clegg, der lange schon davon träumt, für die "LibDems" den ihnen gebührenden Platz in der britischen Politik zu finden. Vielleicht geht am 6. Mai, dem Tag der Wahl, sein Traum in Erfüllung.
Wie kann jemand, der erst bei der letzten Unterhauswahl 2005 für den Wahlkreis Sheffield Hallam in Yorshire ins Parlament einzog und erst 2007 Vorsitzender seiner Partei wurde - wie kann so einer in so kurzer Zeit so weit vorangekommen sein?
Vieles an diesem Phänomen verdankt sich der Politikverdrossenheit in Großbritannien, dem Abfall der Wähler von den alten Großparteien Tories und Labour. Damit ist die Großwetterlage im Lande beschrieben, die ein Hoch für die Liberalen ankündigt.
Aber zur Erklärung des Nick-Clegg-Phänomens reicht es nicht aus. Man muss die Attraktivität des Kandidaten hinzuziehen, seinen Reichtum an persönlichem und familiärem Hintergrund.
Cleggs Laufbahn spiegelt diese ungebrochene Dynamik, die man noch immer in bestimmten britischen Kreisen findet, eine Beweglichkeit, die schon den Jugendlichen nahelegt, aus ihrem Leben ein Maximum an Erfahrung und Selbsterprobung herauszuholen.
Nick Clegg ist ein Brite mit internationalem Stammbaum. Seine Mutter, eine Holländerin, wuchs im damals holländisch kontrollierten Indonesien auf, wo sie während des Krieges als junges Mädchen drei Jahre lang in einem japanischen Internierungslager zubringen musste.
Hermance von den Wall Bake kam nach 1945 mit der übrigen Familie nach Holland, wo ihr Vater Hemmy, ein Freund der holländischen königlichen Familie, Präsident des Bankriesen ABN wurde. Die junge Frau besuchte 1956 Cambridge, wo sie Nicholas Clegg Senior kennenlernte, aus englisch-russischer Familie - seine Mutter war die in Russland geborene Baronin Kira von Engelhardt. >>> Von Thomas Kielinger | Montag, 19. April 2010