Monday, April 19, 2010

Biologie: Wenn schwule Tiere moralische Werte bedrohen

WELT ONLINE: Forscher berichten von weiblichen Koalas, die andere Weibchen besteigen. Von männlichen Flussdelfinen ist bekannt, dass sie sich durchs Atemloch penetrieren. Die Frage ist bloß, ob das natürlich ist oder nicht? Wie Biologen, Moralisten und Aktivisten das Sexleben der Tiere für ihr Weltbild nutzen.

Der Laysanalbatros ist ein flaumiger Seevogel mit zwei Meter Spannbreite und einem gekerbten, blassgelben Schnabel. Jedes Jahr im November versammelt sich eine Kolonie dieser Vögel an einem Ort namens Kaena Point, zu Füßen einer Gebirgskette über dem Pazifik am nordwestlichen Zipfel Oahus, der Hauptinsel Hawaiis. Die vergangenen sechs Monate haben die Vögel in Einsamkeit verbracht. Zu ihrer Brutstätte zurückgekehrt sind sie, um sich erneut mit ihrem Partner zu vereinen.

Albatrosse werden bis zu 70 Jahre alt und paaren sich ein Leben lang mit demselben Vogel. Ihre „Scheidungsrate“, wie Biologen sagen, zählt zur niedrigsten in der Vogelwelt. Haben sie einander gefunden, paaren sie sich und brüten 65 Tage lang ein Ei aus.

Als die ehemalige First Lady Laura Bush vor ein paar Jahren über Oahu sprach, rühmte sie die Treue der Laysanalbatross-Paare. Die Biologin Lindsay C. Young, die die Kaena-Point-Kolonie erforscht, sagt: „Die Vögel galten als Ikonen der Monogamie: ein Männchen und ein Weibchen. Fragt sich nur, ob Frau Bush überhaupt Männchen und Weibchen gesehen hat.“

Young beobachtet die Albatrosse von Oahu seit 2003. Bei Forschungen zu ihrer Doktorarbeit haben Young und ein Kollege zufällig entdeckt, dass ein Drittel der Paare von Kaena Point tatsächlich aus zwei weiblichen Vögeln besteht. Der Laysanalbatross ist eine von zahllosen Arten, bei denen die Geschlechter kaum zu unterscheiden sind. >>> Von Jon Mooallem | Montag, 19. April 2010