WELT ONLINE: Eine Woche nach dem Volksentscheid gegen den Bau neuer Minarette dauert die Diskussion über die Entscheidung an. Muslimische Staaten werfen der Schweiz eine schwere Verletzung der Religionsfreiheit vor. Doch sie selbst unterdrücken ihre christlichen Minderheiten aufs schärfste.
Die islamische Welt zeigt sich wieder einmal schockiert. Ob Mohammed-Karikaturen, Regensburger Papst-Rede oder jetzt das Minarett-Verbot in der Schweiz: Religiös motivierte Empörungskampagnen sind jederzeit abrufbar. Das türkische Außenministerium reagierte am vergangenen Dienstag umgehend und warf den Schweizern vor, mit dem Volksentscheid Menschenrechte und grundlegende Freiheiten verletzt zu haben.
Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül legte nach und geißelte die Minarett-Entscheidung als eine „Schande für die Schweizer“. Die Abstimmung zeige, wie sehr „die Islamophobie in der westlichen Welt um sich greift“. Für Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist das Referendum gar Ausdruck einer „zunehmenden rassistischen und faschistischen Haltung in Europa“.
Religions- und Meinungsfreiheit seien Grundrechte der Menschheit, die nicht zur Abstimmung gestellt werden dürften, sagte Erdogan im türkischen Parlament. Wie ernst soll man solch drastische Äußerungen eines Politikers nehmen, der ein Land regiert, in dem die Leugnung des türkischen Völkermordes an den christlichen Armeniern Staatsdoktrin ist? Und das bis heute religiösen Minderheiten die freie Religionsausübung verwehrt? >>> Von Heimo Schwilk | Samstag, 05. Dezember 2009