NZZ ONLINE: In der römischen Antike war das Martyrium für den Glauben nicht vorgesehen. Vielgötterei herrschte mitsamt den schützenden Mächten für Haus und Herd, und wenn der Heldentod gefordert schien, so galt er dem Staat, der ihn ehrte – genauer: der res publica, solange sie noch ihren Namen verdiente. Deshalb konnten später die christlichen Bekenner, die ihrer Religion bis zum Äussersten nachlebten, nur mit dem Unverstand – und alsbald mit der Grausamkeit – ihrer Verfolger rechnen. Anderseits wussten sie sich mit einem Jenseits belohnt, das den Himmel über ihnen aufspannte. Viele unter ihnen erhob die Kirche später zu Heiligen ihrer beispielhaften Standfestigkeit.
Die Kämpfer für den heiligen Krieg, die heute den Islam radikalisieren, beseelt eine andere Mission. Auch sie glauben sich zwar geborgen in der Vertikale, die ihr Gott geöffnet hat. Doch tragen sie den Glauben bei Bedarf mit Gewalt in die Welt, was zugleich die Unterscheidung in Freund und Feind erzwingt. Die Folgen dieser politisierten Theologie sind uns längst bekannt – die Handschrift der Anschläge und Attentate läuft inzwischen über den ganzen Globus. Wer aber gemeint hätte, dass die Mobilmachung vorwiegend junge Schreckensmänner rekrutiere, sähe sich mittlerweile eines Besseren belehrt. Die Grenze zwischen den Geschlechtern ist durchlässig geworden, Frauen mit Bildung und Verstand stellen sich in den Dienst des Terrors. Eine Titelstory >>> Martin Meyer | Samstag, 22. August 2009