Ein Hauch von Glamour in Bagdad: Lippenstift und modische Accessoires: Irakische Frauen begehren gegen die Islamisten aufNZZ am SONNTAG:
Siham Antoine war der Star unter den Stylistinnen des Iraks. Nach dem Terror islamistischer Hardliner wagt sie nun einen trotzigen Neuanfang.Der Föhn schnurrt wie eine Katze. Es riecht nach Haarfarbe, Shampoo und schweren Parfums. Eilig trippelt Siham Antoine zu einer Kundin, lockert einen Streifen der Alufolie und prüft den Zustand der Farbe. Skeptisch wirft ihr die Kundin einen Blick in dem grossen Spiegel zu. «Grossartig, grossartig», sagt Antoine entzückt. Sanft tätschelt sie der Kundin auf die Schultern. «Meine Liebe, du wirst schön sein wie Ishtar», säuselt sie ihr ins Ohr. Ein schöneres Kompliment als den Vergleich mit der babylonischen Gottheit gibt es für eine Frau im Irak kaum.
Siham Antoine verspricht ihren Kundinnen Luxus. «So war es früher, und so soll es heute sein», sagt sie. Kampfeslustig schürzt sie die Unterlippe ihres knallrot geschminkten Munds. Ihr Salon «Mina und Dina» galt einst als eine der besten Adressen in Bagdad. Doch sunnitische und schiitische Extremisten machten in den letzten Jahren auch vor den Schönheitssalons nicht halt. Sie sprengten zahlreiche Studios in die Luft, etliche Stylistinnen wurden umgebracht. Make-up und modernes Aussehen ist in den Augen der selbsternannten Sittenwächter westliches Teufelszeug, nur der Ehemann sollte seine Frau unverschleiert zu Gesicht bekommen. Viele Salon-Besitzerinnen übten ihr Handwerk nur noch im Verborgenen aus.
Christinnen wie Antoine traf die Gewalt gleich doppelt. Sie wurde nicht nur wegen ihres Berufs, sondern auch wegen ihres Glaubens verfolgt. Im Frühjahr 2006 erschossen Unbekannte ihren Neffen, kurz darauf wurde der Mann ihrer Nichte ermordet. Zwei ihrer Mitarbeiterinnen verloren ihre Brüder. Antoine floh zuerst nach Jordanien und später nach Dubai.
Pariser Chic und Stacheldraht >>> Inga Rogg, Bagdad | Sonntag, 18. Oktober 2009