ZEIT ONLINE: Geschlechtsumwandlungen sind in Iran erlaubt, während auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Das Leben eines Transsexuellen ist in der islamischen Republik trotzdem nicht leicht
"Kommt her!" ruft Roxana einem Touristenpärchen aus Deutschland hinterher, das an einem kleinen Kebab-Laden im Zentrum von Teheran vorbeischlendert. Die 25-jährige winkt das Paar mit einer Puderquaste in der Hand zu sich heran. Roxana fällt auf wie ein Paradiesvogel unter Raben. Ihr Gesicht ist geschminkt wie das einer japanischen Geisha. Einen bonbonfarbenem Kussmund und grelle Rotkäppchenwangen hat sie sich gemalt. In ihrem Pony glitzert silbernes Haarspray.
Roxana tritt aus dem Laden heraus in die gleißende Sonne. Dreht sich vor den Touristen wie eine Eisprinzessin. Ihr Glockenrock mit bunten Troddeln am Saum schwingt um ihren Körper. "Ihr seid die ersten Menschen, die sich für mich interessieren", sagt sie, klimpert mit den fliegenbeinlangen Wimpern und nimmt die Hand der Ausländerin, als suche sie eine Verbündete.
Roxana ist ein Sheboy, ein Mädchenjunge. In einem Land, in dem sich Frauen verschleiern müssen und laut Verfassung halb so viel Wert sind wie ein Mann, hat sie sich umoperieren lassen. Vom Mann zur Frau.
Jährlich wechseln ungefähr 450 Iraner das Geschlecht. Nur in Thailand sind diese Zahlen höher. Roxana hieß früher Arash. Nun steht Roxana in ihrem Ausweis. Ein altpersisches Wort für Morgenröte. Roxana mag ihren Namen. Er klingt nach Neuanfang und Aufbruch, sagt sie und ihre Stimme überschlägt sich vor Aufregung.
Roxana und die Touristen betreten den Schnellimbiss. Vier Männer, die bereits bestellt haben, bilden eine Traube um Roxana und die Touristen. Zwei schwarz verschleierte Frauen tuscheln. Roxana zupft ihr Kopftuch mit pink lackierten Fingernägeln zurecht und lacht, als ein Teenager in Jeans ein Handyfoto macht. Roxana liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Meistens jedoch meiden sie die Menschen. Ein Mann drängt sich mit seinen Einkäufen an ihr vorbei, rempelt sie versehentlich an. "Ich hätte Angst, mich mit einem Sheboy zu unterhalten", sagt der Mann leise. Roxanas Freund Said ist ebenfalls in dem Imbiss. Er beobachtet das Geschehen von seinem Platz am Fenster aus. Der 59-jährige Anwalt wirkt mit weit aufgeknöpftem Hemd, Nadelsteifenanzug und übergroßer Gucci-Sonnenbrille in der Elvis-Tolle exzentrisch. Als er hört, dass der Fremde Angst vor Roxana hat, seufzt er: "Typisch. Viele befürchteten, dass sie sich nur verkleidet. Dass sie biologisch ein Mann ist, keine Frau. Dann wäre sie ein Transvestit, vielleicht schwul", sagt er. Homosexualität ist in Iran verboten und wird mit dem Tode bestraft. >>> Von Carola Hoffmeister | Freitag, 07. Juli 2009