SPIEGEL ONLINE: Es ist nicht der erste Übergriff: Beim letzten Skandal kam IWF-Chef Strauss-Kahn noch mit einer öffentlichen Entschuldigung davon. Mit der Festnahme in New York steht die Karriere des Sozialisten und hoch gehandelten Kandidaten für die französische Präsidentschaftswahl 2012 nun vor dem Aus.
Bis zum Sonntagmorgen war die Welt für Dominique Strauss-Kahn noch in Ordnung. Der Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF) war ein international geschätzter Finanzexperte und eine wichtige Figur in der Sozialistischen Partei (PS). Der Wirtschaftsprofessor, in seiner Heimat nur bekannt als DSK, hatte allenfalls die Qual der Wahl: Antreten als Spitzenkandidat seiner Partei für die Präsidentenwahlen im nächsten Jahr oder Verbleib im bequemen, wohl dotierten IWF-Job in Washington.
Jetzt dürfte die politische Zukunft des geachteten Parteisoldaten, nur einen Monat vor der Bekanntgabe seiner Kandidatur, zu Ende sein. Er wurde in New York wegen sexueller Übergriffe und versuchter Vergewaltigung festgenommen, nur Minuten bevor er an Bord einer Air-France-Maschine nach Berlin fliegen sollte, wo ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel geplant war.
Es droht mehr als das Ende einer Dienstreise, das Ende einer Karriere.
Bisher hatte sich Strauss-Kahn mit Äußerungen zu einer möglichen Bewerbung für die Präsidentenwahl zurückgehalten, denn der Währungsfonds verlangt von seinen Spitzenleuten strikte politische Zurückhaltung. Dennoch galt als sicher, dass der 63-Jährige sich längst für eine Kandidatur in seiner Heimat entschlossen hatte: In allen Erhebungen lag DSK gegenüber Präsident Nicolas Sarkozy an erster Stelle; der "Journal de Dimanche" sah in seiner jüngsten Meinungsumfrage den Sozialisten als Sieger über den amtierenden Staatschef. Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise galt der ehemalige Professor für Ökonomie, fließend in Englisch und Deutsch, für 2012 als Hoffnungsträger der Opposition.
» | Von Stefan Simons, Paris | Sonntag, 15. Mai 2011