Saturday, February 26, 2022

Wolodymyr Selenskyj : Sein schwerster Kampf

ZEIT ONLINE: Die Ukrainer wehren sich gegen die russische Invasion und der Präsident ist mittendrin. Wolodymyr Selenskyj hat im Krieg erstaunlich an Statur gewonnen.

Wolodymyr Selenskyj am 12. Februar 2022 in der Region Cherson | © Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident und ehemaliger Schauspieler, fürchtet um sein Leben – und bleibt in Kiew. US-Präsident Joe Biden hatte ihm schon vor einer Woche geraten, er solle die ukrainische Hauptstadt aus Sicherheitsgründen verlassen. Aber Selenskyj weigerte sich, blieb, machte weiter. Auch in der Nacht zum Samstag boten ihm die US-Amerikaner an, ihn in Sicherheit zu bringen. Aber Selenskyj schlug aus und meldete sich mit einer zweiten Videobotschaft. Die erste hatte er zuvor gepostet, nachdem russische Medien Gerüchte gestreut hatten, er habe Kiew verlassen. Auf dem Video ist es dunkel, hinter Selenskyj lassen die beleuchteten Säulen der Präsidialadministration keine Zweifel daran, wo er sich befindet. Neben ihm der Premierminister, seine Berater, der Fraktionschef. "Wir sind alle hier", sagt Selenskyj in die Kamera. "Unsere Soldaten sind hier. Wir verteidigen unsere Unabhängigkeit. Das werden wir auch weiter tun. Ruhm der Ukraine. Ruhm den Helden."

Im Angesicht des Krieges hat Selenskyj erstaunlich an Statur gewonnen. Während er zu Beginn dieser Eskalation noch ungeschickt kommunizierte, ist er mit der großen und schweren Aufgabe des Krieges gewachsen. Vor einer Woche wurde er bei der Münchner Sicherheitskonferenz von den internationalen Gästen noch beklatscht wie eine exotische Mitternachtseinlage. Er hielt er dort eine pathetische, emotionale, fast wütende Rede gegen die westliche Gleichgültigkeit angesichts des gefährlichen Aggressors Russland. Aber die Ereignisse sollten ihm recht geben: Wenige Tage später marschierte die russische Armee in der Ukraine ein.

Das hat Eindruck gemacht, auch bei seinen zahlreichen Kritikern. "Er ist mit dem Volk in dieser schweren Zeit", sagte der ukrainische Politologe Wolodymyr Fesenko ZEIT ONLINE. Der Präsident habe sich als "sehr würdig" erwiesen. Und selbst ukrainische Bürgerinnen und Bürger, die ihn 2019 nicht zum Präsidenten gewählt haben, sagen inzwischen: Das ist unser Präsident, wir sind stolz auf ihn. » | Von Simone Brunner | Samstag, 26. Februar 2022