Sechs Monate ist es her, da hatte Joe Biden das wenige Vertrauen verspielt, das er sich und seinem Land nach einem halben Jahr als US-Präsident im Westen aufgebaut hatte. Die USA waren nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan gescheitert, Biden beendete den Einsatz. Der Krieg war eine Niederlage von gleich vier Präsidenten. Doch Biden ist es, der die Verantwortung für die Folgen dieses schlecht organisierten und durchgeführten Abzugs tragen muss: vor allem anderen die humanitäre Katastrophe in Afghanistan. Aber eben auch den Ärger und das Unverständnis der Bündnispartner über diesen desaströsen Alleingang.
Damals hätte Biden am liebsten gar nicht viel gesprochen, er wandte sich unwillig und uneinsichtig an die Öffentlichkeit. Ein halbes Jahr später steht der Präsident in dieser Woche auf einer Bühne einer Veranstaltungshalle in Ohio und verabschiedet sich früher als geplant mit der Entschuldigung, dass da derzeit eine kleine Sache in Europa im Gange sei. Außenpolitik, Europa, das ist nichts, was ein Präsident normalerweise auf seinen Touren durchs Land adressiert. Dort geht es in einem Kongresswahljahr wie diesem darum, die innenpolitische Agenda mit glänzenden Worten zu verkaufen. In Ohio war das Bidens Infrastrukturgesetzgebung. Doch zum einen glänzt innenpolitisch derzeit für Biden nicht so viel und zum anderen sind dies keine normalen Tage. » | Eine Analyse von Rieke Havertz | Sonntag, 20. Februar 2022