Tuesday, February 04, 2014

Extremismus: Mein Sohn, der Salafist

In Berlin beteten Salafisten vergangenes Frühjahr auf dem Potsdamer Platz
WIENER ZEITUNG: In Deutschland bieten Experten Hilfe für radikalisierte Jugendliche des Politischen Islams / Einrichtung einer Ombudsstelle in Österreich für 2014 geplant.

Wien. Wenn Ahmad Mansours Telefon klingelt, geht es um alles: Andreas isst plötzlich kein Schweinefleisch mehr. Er will auch nicht mehr Weihnachten feiern, Alkohol trinken oder seinen weiblichen Verwandten die Hand geben. Seinen deutschen Vornamen hat er abgelegt, ebenso wie seine Jeans, die er durch eine lange Baumwollhose ersetzt hat.

"Meistens rufen mich die Mütter an. Die Väter spielen zu diesem Zeitpunkt meistens schon keine Rolle mehr in der Familie", sagt Mansour. Der israelisch-palästinensische Psychologe arbeitet bei der Berliner Beratungsstelle "Hayat". Es ist die letzte Anlaufstelle für Eltern, deren Kinder Gefahr laufen, in den Salafismus abzugleiten - oder bereits abgeglitten sind.

Eltern fühlen sich von ihren Kindern gekränkt

Der Salafismus ist eine radikale Strömung innerhalb des Islams. Seine Anhänger berufen sich auf die Zeit des Propheten Mohammed, interpretieren den Koran wortwörtlich und nehmen ihn als Leitfaden für alle Lebensbereiche. Sie streben einen Gottesstaat an, in dem ein islamisches Rechtssystem, gilt - und sie lehnen jegliche Lebensweise ab, die dem Westen zugeschrieben wird.

So viel zur Theorie. Mansour kennt die Praxis. Wer mit ihm spricht, der kann viel lernen über die Radikalisierungsprozesse - und wie sie in den Familien Betroffener ablaufen. Seit zwei Jahren gibt es die Beratungsstelle "Hayat" (arabisch für "Leben"). Eltern, die sich bei "Hayat" melden, haben nicht nur Angst um ihre Kinder. In der Regel fühlen sie sich tief von ihnen gekränkt, weil sie von ihren eigenen Kindern abgelehnt werden. Sie reagieren darauf, indem sie den neuen Glauben ihrer Kinder abwerten, drohen sogar mit dem Abbruch der Beziehung. Die Kinder wiederum sind meist seit Jahren unglücklich und frustriert, sie kämpfen um gesellschaftliche Anerkennung und Zuwendung und vermissen oftmals eine Vaterfigur. All dies finden sie in der schwarz-weiß gestrickten Welt der Salafisten. Übrigens betrifft das nicht nur die Söhne der verängstigten und wütenden Eltern, sagt Mansour, dessen Beratungsstelle mit dem deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammenarbeitet: In rund einem Drittel der Fälle sind auch Töchter betroffen. » | Von Mona El Khalaf | Mittwoch, 08. Januar 2014