DIE PRESSE: Ungarns Premier Viktor Orbán hat kein Problem mit Denkmälern für den autoritären Reichsverweser Miklós Horthy, erläutert sein "neues Wirtschaftssystem" und plädiert für ein "Europa der Nationen".
Am Höhepunkt der Eurokrise bewegt sich die EU in Richtung einer stärkeren Integration, einer Fiskal- und Bankenunion. Mitgliedstaaten werden wohl mehr Souveränitätsrechte an Brüssel abtreten. Begrüßt Ungarn diese Entwicklung?
Viktor Orbán: Diese Frage berührt Ungarn noch viele Jahre nicht. Wir haben aus der Krise der südlichen Länder eine Lehre gezogen: Der Euro-Gruppe vorschnell beizutreten, führt ins Desaster. Denn dann könnte man gezwungen sein, die Eurozone wieder zu verlassen, was einem Erdbeben gleichkommt. Ungarn wird erst zur Euro-Gruppe stoßen, wenn es dafür perfekt vorbereitet ist. Die Frage, ob sich die EU zu den „Vereinigten Staaten von Europa" entwickelt, geht nicht nur die Euroländer an.
Es gibt zwei Visionen für die Zukunft Europas: ein Europa als Imperium oder ein Europa der Nationen. Ich trete definitiv für ein Europa der Nationen ein. Der größte Vorteil des europäischen Kontinents ist, dass wir unterschiedlich sind. Deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein, wenn wir Souveränitätsrechte abgeben. Die Schlüsselentscheidung ist, ob man der Eurozone beitritt. Eine Währungsunion ist ohne politische Union nicht möglich. Länder, die schon in der Zone sind, haben nicht allzu viele Optionen. » | Von Michael Fleischhacker und Christian Ultsch | Die Presse | Samstag, 16. Juni 2012