Sunday, February 05, 2012

Zusammenprall der Werte

Bei Syrien bewährt sich die oft totgesagte transatlantische Allianz – Kommentar


NZZ ONLINE: Die amerikanisch-russische Konfrontation an der Münchner Sicherheitskonferenz zeigt eine der grossen Bruchlinien der internationalen Politik auf. Die klassische Kabinettspolitik des 18. und 19. Jahrhunderts prallt auf eine moderne Aussenpolitik für eine globalisierte Welt.

In München wehte ein eisiger sibirischer Wind. Der russische Aussenminister Sergei Lawrow gab die zeitgemässe Variante des «Mister Njet» und lehnte jede Uno-Resolution ab, die eine klare Verurteilung des syrischen Präsidenten Asad bedeutet hätte. Seine amerikanische Amtskollegin Hillary Clinton mochte noch so inständig bitten und Moskau eine Mitverantwortung für das Blutbad auf Syriens Strassen zuweisen, es half alles nichts. Lawrow erklärte mit einem Anflug von Zynismus, das Veto der permanenten Sicherheitsratsmitglieder Russland und China demonstriere, dass die Uno-Charta mit Leben erfüllt werde. Doch aus seiner Warte hatte der russische Minister so Unrecht nicht: Wieso sollte sich eine Regierung um die Verletzung der Menschenrechte in der Levante kümmern, der die anhaltenden Demonstrationen gegen Wahlfälschungen im eigenen Land gleichgültig sind? Die russische Politik orientiert sich nicht an den Werten der Aufklärung, sondern an den machiavellistischen Nützlichkeitserwägungen einer Grossmacht – auch wenn diese im Fall Syriens recht borniert wirken, weil sie Russlands Interessen in der arabischen Welt langfristig schaden und Moskau in eine Ecke stellen mit den Parias der Region, mit Syrien und Iran. » | Eric Gujer | Sonntag, 05. Februar 2012