SUEDDEUTSCHE: Bei der Präsidentenwahl 2012 tritt ein anderer Barack Obama an als vor vier Jahren: Gefragt ist nicht mehr der Versöhner, sondern der Klassenkämpfer, der für soziale Gerechtigkeit eintritt. Das ist eigentlich unamerikanisch, aber trotzdem nötig. Denn angesichts eines extrem ungerechten Steuersystems, das schamlos die Reichen bevorzugt, haben viele US-Bürger das Grundvertrauen verloren: dass jeder die Chance habe, sein Glück zu machen.
Vor vier Jahren war Barack Obama als Versöhner angetreten. Die Amerikaner hatten ihn gewählt, weil sie hofften, dass er die Gräben zuschütten könnte, die sich in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends unübersehbar aufgetan hatten: die tiefe Animosität zwischen den beiden politischen Lagern im Land und die klaffenden Unterschiede zwischen den Profiteuren der Boom-Jahre und dem Rest der Gesellschaft, in der immer mehr Menschen der Absturz drohte.
Inzwischen ist alles anders. Die Hoffnung, die Obama seinerzeit entgegenbrandete, ist längst dahin. Deshalb wird sich diesmal ein anderer Obama zur Wahl stellen. Das hat er in seiner Ansprache zur Lage der Nation im Kongress unmissverständlich zu verstehen gegeben. 2012 tritt Obama der Klassenkämpfer an. » | Ein Kommentar von Reymer Klüver | Mittwoch 25. Januar 2012