Thursday, October 27, 2011

Ghannouchi: „Ich bin kein Khomeini“

DIE PRESSE: Der neue starke Mann in Tunis, Rachid Ghannouchi ist den einen Galionsfigur einer religiös-konservativen Partei, den anderen ein Wolf im Schafspelz. Der Mann ist Gegenwind gewöhnt.

Madrid/Tunis.
Nett, gut erzogen, freundlich lächelnd. Der Sieger der ersten freien Wahl in Tunesien nach der Revolution entspricht nicht unbedingt dem finsteren Bild, das viele Europäer von einem Islamistenführer haben. Mit staatsmännischer Gelassenheit winkt Rachid Ghannouchi, Chef der islamischen Bewegung Ennahda (Wiedergeburt), vor seinem Hauptquartier in der Hauptstadt Tunis dem jubelnden Volk zu.

Auch seine Reden klingen nicht radikal, sondern sind durchsetzt mit Bekenntnissen zu Demokratie und Reformen. „Mein Traum ist es, Tunesien in ein Modell zu verwandeln, in dem Islam und Modernität zusammenspielen“, sagt der 70-jährige Geistliche und Philosophielehrer, Sohn eines Imams. „Wir leben nicht abgeschnitten von unserer Umwelt.“ Die Grundsätze der Demokratie „werden von Ennahda respektiert“. Auch wenn „islamische Werte“ der Politik als „Orientierungspunkte“ dienen sollen.

„Unsere Religion wird immer wieder als antidemokratisch bezeichnet, mit Gewalt und Terrorismus gleichgesetzt. Wir werden als Feinde der Kunst, der Schönheit, der Frauenrechte bezeichnet. Das ist falsch“, empört sich Ghannouchi. Es werde in Tunesien auch „keinen Kopftuchzwang“ oder sonstige Kleidungsvorschriften geben. „Wir sind gegen den Extremismus.“ » | Ralph Schulze | Mittwoch 26. Oktober 2011