Friday, February 25, 2011

Italienisch-libysche Beziehungen: Handkuss für den Diktator

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Foto: Spiegel Online

SPIEGEL ONLINE: Kein EU-Land ist wirtschaftlich und politisch so eng mit Libyen verflochten wie Italien. Man tauschte Öl, Gas und Geld gegen Waffen und politischen Beistand. Doch nun fürchtet die Regierung in Rom den einstigen Freund Gaddafi. Denn die Deals mit dem Diktator könnten das Land teuer zu stehen kommen.

Florenz - Das war eine wahre Männerfreundschaft! Muammar al-Gaddafi, der selbsternannte "Revolutionsführer" Libyens lud seinen "amico" aus Rom, Regierungschef Silvio Berlusconi, sogar in seinen Harem ein und lehrte ihn "Bunga Bunga"-Sexspielchen. Berlusconi revanchierte sich auf seine Weise. Er küsste beim Treffen arabischer Staatschefs im libyschen Sirte im vorigen Frühjahr dem "Rais" zur Begrüßung die Hand - eine Geste, wie sie sonst nur dem Papst widerfährt.

Lange hielt der Italiener seinem transmediterranen Kumpel die Treue. Noch vergangene Woche, als Gaddafi daheim schon demonstrierende Bürger niederschießen und bombardieren ließ, weigerte sich Berlusconi, ein kritisches Wort zu sagen. Italien blockierte noch diesen Montag EU-Maßnahmen gegen das Morden in Tripolis. Erst als Washington im Laufe der Woche mächtig Druck machte - mehrfach rief US-Außenministerin Hillary Clinton in Rom an - knickte Berlusconi ein. Dann aber total: Gaddafi sei verrückt, zitiert ihn die römische Tageszeitung "La Repubblica", womöglich werde der sogar Raketen gen Italien schießen.

Der Schaden für Italien ist auch ohne Gaddafis Rache immens. In der Wirtschaft herrscht Alarmstimmung. Libyen ist nicht nur Rohstofflieferant und wichtiger Abnehmer für italienische Produkte, sondern auch Mitbesitzer vieler italienischer Unternehmen. Bei Unicredit, der größten Bank des Landes, ist der Wüstenstaat mit 7,2 Prozent mächtigster Aktionär. Vizepräsident der Großbank ist deshalb ein Libyer, der erste Mann der Zentralbank in Tripolis, Farhat Bengdara. Er ist derzeit freilich unauffindbar. Man habe keinen Kontakt zu Bengdara, berichtete Unicredit-Präsident Dieter Rampl. >>> Von Hans-Jürgen Schlamp | Freitag, 25. Februar 2011