Thursday, January 20, 2011

Frankreichs Tunesien-Politik: Alter Freund, neues Problem

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Politiker Sarkozy, Ben Ali: Vom Partner zum Paria. Bild: Spiegel Online

SPIEGEL ONLINE: Der Sturz von Tunesiens Diktator Ben Ali stürzt die französische Regierung in ein Dilemma. Jahrelang feierte Paris den Alleinherrscher als Freund, jetzt bereut Präsident Sarkozy die Lobeshymnen - und muss seinen Kurs in Nordafrika komplett überdenken.

Missverstanden fühlt sie sich, "falsch interpretiert" und - bitteschön - sie ist nachgerade "schockiert": Michèle Alliot-Marie, Frankreichs unlängst gekürte Außenministerin, gab vor dem Parlament jüngst die Rolle des unschuldigen Opfers. Der Anlass: Die Abgeordneten der Opposition hatten die Ressortchefin zu ihren Einlassungen zur den Entwicklungen in Tunesien befragt.

Denn noch am Dienstag vergangener Woche - inmitten der blutigen Revolte gegen die Herrschaft von Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali - hatte Alliot-Marie vor der Pariser Volksvertretung "Frankreichs weltweit anerkanntes 'Know-how' unserer Sicherheitskräfte" zum Einsatz in Tunis angeboten - zur Stärkung der Regierung Ben Ali, mit der nun niemand mehr etwas zu tun haben möchte.

Die fragwürdige Offerte empörte nicht nur die politischen Gegner, auch Kabinettskollegen der umtriebigen Ministerin gingen auf Distanz. "Die ist völlig übergeschnappt", zitiert der Pariser "Canard Enchaîné" Ministerpräsident François Fillon. Und Präsident Nicolas Sarkozy grummelte angeblich: "Das sind Äußerungen, die Frankreichs Position geschwächt haben."

Doch das eigentliche Problem ist nicht das seltsame Angebot der Außenministerin. In Frage steht jetzt der außenpolitische Kurs Frankreichs in der gesamten Region Maghreb und Naher Osten, den bisher kaum jemand öffentlich in Frage gestellt hat. Während die USA schon früh Unterstützung für die Protestbewegung in Tunis signalisierten, beharrte Paris auf seiner Politik der Regimehilfe. >>> Von Stefan Simons, Paris | Donnerstag, 20. Januar 2011