NZZ am SONNTAG: Säkular gesinnte Israeli begehren gegen ultraorthodoxe Juden und ihre Privilegien auf. In Jerusalem wird gegen die Regel protestiert, nach der Frauen und Männer getrennt in Bussen zu sitzen haben.
Der Buschauffeur blickt irritiert auf. Es ist nicht üblich auf der Linie 56, dass eine Frau vorne einsteigt. Auf seiner Strecke ins Jerusalemer Quartier Ramat Schlomo, in dem ausschliesslich ultraorthodoxe Juden wohnen, steigen die weiblichen Passagiere immer hinten ein und knipsen ihre Zehnerkarten selbst mit einer am Haltegriff angeketteten Lochzange ab. Im vorderen Teil des Busses sind ausschliesslich schwarze Hüte, schwarze Anzüge und Schläfenlocken zu sehen – die traditionelle Tracht der Haredim-Männer, der Frommsten aller Frommen. «Nach hinten», zischen sie auch sogleich, schauen schnell weg oder halten sich die Hand vor die Augen, um nicht mit Weiblichkeit konfrontiert zu werden. >>> Silke Mertins, Jerusalem | Sonntag, 21. März 2010