WELT ONLINE: Die Massenverhaftungen hoher Militärs zeigen, dass die Türkei weiter nach einer gesellschaftlichen Balance sucht. Einer der wichtigsten Gründe für das Ringen um die türkische Seele ist, dass sich die strategische Bedeutung des Landes für die USA im Kampf gegen Terror geändert hat.
Seit Jahren ringen die neuen und die alten Eliten der Türkei um die Macht. Ein langsamer Regimewechsel findet statt: An die Stelle der säkularen, antiklerikalen Republik des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk – formal demokratisch, aber orientiert an autoritären und militaristischen Mustern – tritt etwas Neues, dessen Umrisse erst klar hervortreten müssen.
Optimisten dürfen hoffen, dass es ein nach Europa strebendes, demokratisches, modernes, pluralistisches Regime sein wird, dessen offen islamische Sympathien nicht stören, sondern beweisen werden, dass Islam, Toleranz und Demokratie kompatibel sind. Pessimisten fürchten, dass es genauso autoritär sein wird wie das vorangegangene, nur unter religiösem Vorzeichen und mit einer offensiveren Außenpolitik, die jenseits von EU und Nato nach einer Vormachtstellung in der islamischen Welt strebt und sich als Gegengewicht zu Europa versteht. Der Wert der Türkei für die USA >>> Von Boris Kálnoky | Samstag, 27. Februar 2010