NZZ am SONNTAG: An Weihnachten findet im christlichen Bergdorf Malula eine Mitternachtsmesse statt. Die Leute sind stolz, dass ihre Sprache trotz der Übermacht des Arabischen überleben wird.
Erzählt Mushe Barkula von den Vorbereitungen für Weihnachten, wirkt der schüchterne Mann mit dem Schnauz wie ein schelmischer Bub. «Wir machen Köfte und Hummus, kochen Fisch, Weinblätter und bereiten Taboulé, Salat aus frischen Kräutern.»
Mushe war lange Sanitäter in Malula. Der Cousin des Schriftstellers Rafik Schami kennt die Geschichten der Leute und ihre Sprache. Weihnachten heisst hier «Edha Milothe». Das ist nicht etwa Arabisch, die Muttersprache der meisten Christen im Nahen Osten. Das ist Aramäisch. «Meine Muttersprache und die Sprache Jesu», sagt Mushe, während er in seiner Wohnung an der Einfahrt in das 1500 Meter über Meer gelegene Dorf sitzt, die Frau Kaffee kocht und die Kinder herumtollen.
Malula bedeutet Eingang auf Aramäisch. Es ist tatsächlich eine Pforte im Fels, hinter der sich das Dorf in die Schlucht aus beigem Fels zu drücken scheint. Einige Häuser sind in den Berg gebaut oder stehen wie von Kindern aufgetürmte Bauklötzchen übereinander. Früher lebten die Leute in den Höhlen, deren Eingänge wie Löcher im Fels klaffen. Oft drückt ein Wind aus der irakischen Wüste ins Tal, meist ist der Himmel azurblau. Wenn im Sommer in der Ebene von Damaskus die Hitze steigt, braucht man in Malula nicht einmal eine Klimaanlage. Dann wohnen bis zu 5000 Personen hier. Im Winter sind noch 1000 Bewohner da, die meisten Christen, wenige Muslime, die auch Aramäisch sprechen. Manchmal fällt an Weihnachten Schnee, dann ist der Weg nach Damaskus blockiert. >>> Christoph Plate, Malula | Sonntag, 20. Dezember 2009