Friday, November 13, 2009

Zweierlei christlicher Umgang mit dem Islam: Christian Waber und CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer im Gespräch

NZZ ONLINE: Ein Minarettverbot verspricht laut einem EDU-Vertreter der Initianten eine Stärkung christlicher Werte in der Gesellschaft. Aus CVP-Sicht beeinträchtigt hingegen eine Einschränkung der Religionsfreiheit den religiösen Frieden und die Integration.

Was ist besonders christlich an einer Initiative, die für eine Religion eine Einschränkung vorsieht?

Christian Waber: Die Religionsfreiheit wird in keiner Weise tangiert. In der Schweiz können alle Religionen gelebt werden, auch die vielen Richtungen des Islam. Aber die Schweiz ist ein christliches Land. Und das erste der Zehn Gebote lautet: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Allah und unser Gott sind nicht der gleiche Gott. Zu einem Minarett gehört der Muezzin, und er lobt Allah als einzigen Gott.

Vernachlässigt die CVP das Christentum, indem sie gegen die Initiative ist?

Barbara Schmid-Federer: Die CVP ist als politische Partei der Verfassung verpflichtet, versucht aber die ethischen Grundwerte des Christentums in die Politik einzubringen. Ein zentraler Glaubenssatz des Christentums ist die Gleichwertigkeit aller Menschen. Die Initiative können wir nicht annehmen, weil sie ganz klar eine einzelne Religionsgemeinschaft diskriminiert. Nur den Muslimen wird eines ihrer religiösen Symbole untersagt. Herr Waber, Sie widersprechen sich, wenn Sie die Religionsfreiheit bejahen, aber die Gleichbehandlung des Islam ablehnen.

Hätte das Minarettverbot vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Bestand?

Waber: Selbstverständlich. Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sieht ja wie auch der Uno-Menschenrechtspakt Ausnahmen vor. Und gerade das neue Strassburger Urteil über Kruzifixe in den italienischen Schulen zeigt, dass die Religionsfreiheit Schranken hat.

Schmid: Mit Ausnahme der Initianten sind alle Parteien und Juristen einhellig der Meinung, dass sowohl der Uno-Pakt als auch die EMRK verletzt werden.

Waber: Der Kern der Religionsfreiheit wird auch nach Meinung des Bundesrats nicht verletzt. Der Menschenrechtsgerichtshof akzeptiert beispielsweise das Schächtverbot.

Schmid: Wenn Minarette als Symbol verboten werden, ist das Feld frei für andere Forderungen. So könnte jemand Kirchtürme verbieten wollen.

Waber: Das ist doch kein Problem. Wenn eine solche Initiative lanciert wird und das Volk zustimmt, ist es ein demokratischer Prozess. Ist die Schweiz überhaupt ein christlicher Staat? >>> Interview: C. W. | Freitag, 13. November 2009