WELT ONLINE: Vor ein paar Jahren wehte die EU-Flagge fast überall in der Türkei. Der EU-Beitritt war das große Ziel des Landes. Mittlerweile hat Ernüchterung Einzug gehalten. Die Türkei fühlt sich von der Europäischen Union auf den Arm genommen. Bemerkbar macht sich der Frust vor allem bei einer Berufsgruppe: den Flaggen-Herstellern.
Es gab Zeiten, da flatterten überall in der Türkei blaue Fahnen mit goldenen Sternen. Hotels, Restaurants, Privatleute liebten die EU-Fahne. Das war 2004, 2005, zur Zeit der großen Beitrittsbegeisterung, als die Verhandlungen mit Brüssel über eine türkische EU-Mitgliedschaft offiziell aufgenommen wurden. Fahnenhersteller hatten Mühe, die Aufträge zu bewältigen.
Das war einmal. Niemand will mehr europäische Fahnen. “Wir haben seit Monaten keinen einzigen Auftrag”, sagt Ayhan Karpuzlar von der Firma “Ulus Bayrak” (Nationalfahne). Vor sechs Monaten, so sagt er, sei die Nachfrage plötzlich eingebrochen. Von fünf Herstellern, die diese Zeitung in Istanbul und Ankara kontaktierte, berichteten vier genau dasselbe: Dass seit ungefähr sechs oder vier Monaten niemand mehr EU-Fahnen bestellt. Einzige Ausnahme war “Marti Bayrak” in Ankara. Doch dort sagte man, man habe ohnehin nie viel EU-Fahnen genäht, und so sei es auch jetzt.
Die Gründe sehen die Hersteller teilweise bei der Wirtschaftskrise, aber auch politische Ursachen werden genannt. Denn eigentlich begann der Auftragseinbruch schon vor zwei Jahren. “Vor 3 bis 4 Jahren noch hatten wir viele Aufträge von unterschiedlich großen Firmen, Restaurants und hauptsächlich Hotels”, sagt Isret Adar von “Aybayrak”. “Doch seit zwei Jahren ist das deutlich zurückgegangen.” Er meint auch zu wissen, warum: “Die Türken glauben nicht mehr an den EU-Beitritt, weshalb soll man da noch die EU-Fahne hoch halten?” >>> Von Boris Kalnoky | Donnerstag, 29. Januar 2009
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