BERLINER ZEITUNG: Professionelle Betrüger wenden raffinierte Methoden an, um an das Geld anderer Menschen zu kommen. Sie haben es auf einsame Menschen abgesehen.
Im Oktober 2022 wurde Jenny N. auf ihrer Facebook-Seite von einem Mann angeschrieben. Larry, wie er sich nannte, hatte eine traurige Geschichte zu erzählen: Witwer sei er. Seine Frau habe er vor vier Jahren bei einem Verkehrsunfall verloren, den er selbst verursacht hatte. Ihre gemeinsame inzwischen neunjährige Tochter Lisa lebe nun bei ihrem Opa – seinem Schwiegervater – in Florida, woher auch seine Frau stamme. Larry und sie hätten bis zum Unfall für die Kinderhilfsorganisation Unicef gearbeitet, schrieb er.
Doch das war nicht alles an Larrys Geschichte. Denn als der Großvater von dem schrecklichen Todesfall erfuhr, bekam er einen Herzschlag und starb auch. Jetzt gab es nur noch Larry und seine Lisa, einsam im fernen Florida. Larry lebte angeblich in Holland und in England. Doch nun, nach Jahren des Schmerzes, wollte Larry, ein gutaussehender Mann von 65 Jahren, nicht länger allein bleiben. Er wollte eine neue Frau kennenlernen.
Auch der Mann der 77-jährigen Jenny N. war vor einigen Jahren gestorben. Auch sie war der Einsamkeit überdrüssig und schlug Larry vor, doch mal nach Berlin zu kommen. Es entwickelte sich ein Briefwechsel, bald telefonierte sie mit ihm. Er sprach Deutsch mit englischem Akzent. „Er war 65 und ich bin 77 und fand das etwas ulkig“, sagt sie heute. „Denn wer will eine so viel ältere Partnerin?“ Aber Jenny N. hörte nicht auf ihre innere Stimme und machte weiter.
Irgendwann offenbarte er ihr, dass ihn eine Bank in London zur Testamentseröffnung seines Schwiegervaters geladen habe. Der hatte für die kleine Lisa einen Fonds aufgelegt, mit einem Volumen von 4,8 Millionen Dollar. Larry sagte, dass er zur Testamentseröffnung fahre und anschließend nach Berlin kommen werde. » | Andreas Kopietz | Sonntag, 7. Januar 2024