DIE WELTWOCHE: Christliche Minderheiten sind weltweit bedroht. In muslimischen Ländern sind sie Fremde im eigenen Land und Sündenböcke für die Wut auf den «Kreuzritter-Westen». Sie gelten als Menschen zweiter Klasse. Von Pierre Heumann
Mustafa Krim macht sich wenig Hoffnung. Er hat zwar nach dem jüngsten Brandanschlag auf seine Kirche im algerischen Tizi Ouzou Anzeige erstattet. Aber die Behörden werden den Fall nicht untersuchen, das weiss der Pastor aus Erfahrung. Denn mit den Islamisten, den mutmasslichen Tätern, wollen sich weder die Justiz noch die Politik anlagen.
Die Kirche von Tizi Ouzou, einem Ort, wo al-Qaida stark ist, ist kein Einzelfall. 200 bis 300 Millionen Christen werden weltweit als Minderheit diskriminiert und verfolgt, schätzt Majed al-Shafie, der aus Ägypten nach Kanada flüchten musste, weil er vom Islam zum Christentum übergetreten war. Achtzig Prozent der Hetze gegen Andersgläubige finde in arabischen Ländern statt. Der Rest vor allem in Nordkorea, Kuba, Indien und China.
Christen in muslimischen Ländern sind der Wut vieler Muslime auf den Westen schutzlos ausgeliefert. Gerüchte über missionarische Aktivitäten oder eine Entweihung des Korans sowie die angeblich «liberale» Haltung von Christen gegenüber Frauen lösen die Gewalt aus. Allein in den vergangenen Wochen kam es in mehreren muslimischen Ländern zu blutigen Übergriffen: In Indonesien wurden Kirchen und das Haus eines Pfarrers angezündet; in Pakistan starben Christen, nachdem Kirchen und von Christen bewohnte Häuser in Brand gesteckt worden waren. In Malaysia und im Irak kam es zu Angriffen auf Kirchen und eine katholische Schule. Im Jemen ruft al-Qaida offen zum Dschihad «gegen die Untreuen» und die «Kriegsschiffe der Kreuzritter» im Golf von Aden auf. Im Iran sind derzeit mindestens vierzehn Christen ohne offizielle Anklage in Gefängnissen festgehalten. Einem Teil wird vorgeworfen, sich zu einer Weihnachtsfeier getroffen zu haben, andere müssen sich wegen Apostasie, Abfall vom Islam, verantworten. Wobei Letzteres in der Islamischen Republik ein besonders schwerer Vorwurf ist: Wer konvertiert, riskiert die Todesstrafe. >>> Pierre Heumann | Mittwoch, 10. Februar 2010