Tuesday, October 11, 2022

«Die Leute sagen: Wann und wie ich sterben möchte, geht nur mich etwas an. Das ist ein Trugschluss»

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: Emmanuel Macron möchte den Franzosen die aktive Sterbehilfe ermöglichen. Doch Widerstand regt sich ausgerechnet bei den Palliativmedizinern. Ein Arzt erklärt, weshalb.

Vincent Morel beschäftigt sich beinahe täglich mit einem Thema, das die meisten am liebsten weit von sich schieben: dem Ende des Lebens. Der 52-Jährige begleitet seit rund zwanzig Jahren Menschen zu Hause, im Heim oder im Spital während ihrer letzten Lebenstage. Inzwischen leitet er zudem die palliative Abteilung des Universitätsspitals in Rennes. Mit einer gewissen Beunruhigung verfolgt Morel die Debatte über eine Liberalisierung der Sterbehilfe in Frankreich, die seit dem Sommer Fahrt aufgenommen hat.

Präsident Emmanuel Macron hat bei mehreren Gelegenheiten deutlich gemacht, dass er die derzeitige Gesetzgebung reformieren will. Bis anhin ist in Frankreich nur die passive Sterbehilfe erlaubt. Der Präsident will bis Ende 2023 auch eine Form von aktiver Sterbehilfe möglich machen, in welcher Form, ist unklar. Bei Morel sorgen diese Pläne, wie bei Tausenden von Palliativmedizinern, für Unbehagen. Er gehört der französischen Gesellschaft der Begleitung und der Palliativpflege (SFAP) an, die die Vorbehalte ihrer rund 16 000 Mitglieder in die Debatte trägt. » | Nina Belz, Paris | Dienstag, 11. Oktober 2022