Aleksandar Vucic ist ein Meister des politischen Spagats. Seit Jahren schon präsentiert sich der serbische Präsident im Westen als verlässlicher Partner im europäischen Integrationsprozess, in Moskau als panorthodoxer Verbündeter und im eigenen Land als Bewahrer des wahren Serbentums. Das vergangene Wochenende liefert reichlich Anschauungsmaterial dafür.
Ablenkungsmanöver für Kosovo-Deal
Im Streit mit Kosovo, dessen Unabhängigkeit Belgrad nicht anerkennt, wurde am Samstag ein erster Durchbruch erreicht. Serbien wird künftig für die Einreise auf sein Territorium kosovarische Ausweispapiere akzeptieren. Die Regierung in Pristina hatte gedroht, andernfalls ihrerseits keine serbischen Dokumente mehr anzuerkennen.
Belgrad betont, dass dies keine implizite Anerkennung der Eigenstaatlichkeit sei. Dennoch ist die jüngste Entwicklung ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Saaten. Kosovos Regierungschef Albin Kurti hat sich mit seinem Beharren auf dem Prinzip der Reziprozität gegenüber Vucic durchgesetzt und damit einen bedeutenden Etappensieg errungen.
Wohl auch um national-konservative Kreise angesichts dieses vermeintlichen Tabubruchs zu besänftigen, kündigte Vucic praktisch gleichzeitig an, die sogenannte Europride nicht zum geplanten Zeitpunkt im September durchführen zu lassen. » | Volker Pabst, Istanbul | Freitag, 2. September 2022