Monday, August 01, 2022

Putins Weg der Radikalisierung


NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: Vor 20 Jahren sah es so aus, als ob sich der russische Präsident Putin dem Westen annähern würde. Was geschah dann? Eine Analyse seiner wichtigsten Reden liefert Antworten.

«Russland ist ein freundlich gesinntes europäisches Land. Für unser Land, das ein Jahrhundert der Kriegskatastrophen durchgemacht hat, ist der stabile Frieden auf dem Kontinent das Hauptziel», sagt der russische Präsident Wladimir Putin. Es ist der 25. September 2001, wenige Wochen nach den Terroranschlägen des 11. Septembers. Putin spricht vor den über 650 Abgeordneten des Bundestags in Berlin.

Er fängt auf Russisch an und geht dann in einwandfreies Deutsch über, wickelt sein Politikerpublikum um den Finger, kokettiert, erntet Applaus. Er nennt die Abgeordneten seine «lieben Freunde», spricht davon, die deutsch-russische Partnerschaft zu einem gemeinsamen «europäischen Haus» auszubauen, erklärt: «Der Kalte Krieg ist vorbei.» Seine Rede mündet in minutenlangem Beifall. Der ganze Bundestag hat sich für den knapp 50-jährigen Putin aus den Sesseln gehievt.

Zwei Jahrzehnte später greift Putin die Ukraine an und zerstört die Hoffnungen, die er damals in seiner Rede in Berlin geweckt hatte, endgültig. Statt auf Zusammenarbeit setzt er auf volle Konfrontation mit dem Westen. Wie konnte es so weit kommen? Putins Reden zur Lage der Nation verraten viel » | Katrin Büchenbacher, Cian Jochem | Dienstag, 26. Juli 2022