Tuesday, September 21, 2021

Zurück zu Pfund und Unze: Grossbritannien sucht die Brexit-Dividende und droht, sich zu verrennen

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: Mit Deregulierung und Bürokratieabbau will London dem EU-Ausstieg Nutzen verleihen. Doch etwas anders zu machen, nur weil man es kann, hilft nicht weiter.

«Darf es eine Unze mehr sein?» Ein Londoner Geschäft im Jahr 1947. | Imago

KOMMENTAR

Anderthalb Jahre nach dem Austritt aus der EU überlegt Grossbritanniens Regierung, was sie nun konkret anders machen möchte. Brexit-Minister David Frost präsentierte am Donnerstag einige Felder, in denen durch Deregulierung die ersehnte Brexit-Dividende eingefahren werden soll. Unter den Punkten, die jetzt ausgearbeitet werden: Britische Händler sollen ihre Waren wieder ausschliesslich nach alten imperialen Massen kennzeichnen dürfen – also in Pfund statt Kilogramm und Unzen statt Gramm. Ein Kilogramm zählt 2,2 Pfund zu je 16 Unzen.

Diese Idee steht sinnbildlich für vieles, was beim Brexit schiefläuft: Sie ist symbolisch, zielt an praktischen Problemen der Wirtschaft vorbei und bedient primär die Nostalgie konservativer Wähler. Obendrein hat sie wenig mit der EU zu tun. Wer in einem britischen Supermarkt Milch kauft, erhält seit Ewigkeiten deutlich gekennzeichnete 2 Pint. Doppelter Praxistest » | Benjamin Triebe, London | Samstag, 18. September 2021