DIE WELT: Gehört der Islam zu Deutschland? Und welcher Islam ist gemeint? Eine Bertelsmann-Studie offenbart eine große Distanz vieler Deutscher zu Muslimen – und deren Distanz zu deutschen Wertehaltungen.
Gehört der Islam zu Deutschland? Eine schwierige Frage, findet Emel Zeynelabidin. "Wenn die Antwort nein lautet, was passiert dann mit den Muslimen, die hier sind, und ihren Kindern?", sagt sie. "Und noch wichtiger: Von welchem Islam sprechen wir hier?"
Für Zeynelabidin gibt es eine konservative Lesart des Islam, von der sie sich heute distanziert. Diese schreibt strikte Richtlinien vor, kein Alkohol, kein Schweinefleisch, kein Sex vor der Ehe, Fasten zu Ramadan. Wer sich daran hält, wird von Gott belohnt, wer die Regeln bricht, wird bestraft. "Ich bin Muslimin und fühle mich heute religiöser denn je!", sagt Zeynelabidin, "Aber mit diesem System habe ich heute nichts mehr am Hut.
Gott ist allgegenwärtig, da muss ich mich nicht mit Ritualen aufhalten." Für sie heißt Islam Freiheit, Liebe, nach dem vorbildlichen Verhalten Mohammeds, der aufrichtig handelte, der sich für die Rechte der Frauen einsetzte.
Die 52-Jährige ist die Tochter des Gründers der deutschen Sektion der türkischen Gemeinschaft Milli Görüs, die vom Verfassungsschutz überwacht wird. Lange Zeit war sie stramme Anhängerin des Islam, bekam sechs Kinder, war Vorsitzende eines Frauenvereins, gründete den ersten islamischen Kindergarten in Berlin, das war 1987. 18 Jahre später legte sie ihr Kopftuch ab. Dass die Hälfte der Deutschen sagt, der Islam passe nicht in ihr Land, überrascht sie nicht. » | Von Miriam Hollstein und Freia Peters | Mitarbeit: Achim Breitenbach | Sonntag, 28. Mai 2013