SPIEGEL ONLINE: Ein Charmeur als Banker - der charismatische Dominique Strauss-Kahn war eine ungewöhnliche Besetzung als IWF-Chef. Doch in der Krise stieg er auf zum unumstrittenen Manager des Weltfinanz-systems. Sein Sex-Skandal bringt nun auch den Gipfel zur Euro-Rettung durcheinander.
Dominique Strauss-Kahn spricht Englisch mit einem vernehmbaren Akzent, er plaudert kenntnisreich über Fotografie oder Kino, wirkt durchaus sehr französisch. Doch wer ihn in seinem Büro weit oben im Washingtoner Hauptquartier des Internationalen Währungsfonds (IWF) traf, musste an einen amerikanischen Politiker denken. An Bill Clinton.
Wie der frühere US-Präsident besaß Strauss-Kahn, 62, die Gabe, sich ganz auf den Menschen zu konzentrieren, den er gewinnen wollte. Etwa als der Autor dieses Textes ihm nach einem Interview berichtete, in Paris einst bei Strauss-Kahn Vorlesungen besucht zu haben. Eine reine Höflichkeitsfloskel, der Vorlesungssaal war sehr groß gewesen, unmöglich für Professor Strauss-Kahn, sich Gesichter einzuprägen. Doch der antwortete dem Reporter prompt, mit breitem Lächeln: "Natürlich, Sie kamen mir gleich so bekannt vor."
Es war eine dieser offensichtlichen Lügen, die man aber trotzdem gerne hört. Strauss-Kahn süßraspelte so auch Irritationen einfach weg, die es im Vorfeld des Interviews gegeben hatte. Die SPIEGEL-Anfrage lautete auf ein Gespräch über die Nachwehen der Krise. Gemeint war die Weltfinanzkrise, natürlich. Aber einige Helfer des IWF-Bosses glaubten wohl, es solle um Strauss-Kahns persönliche Krise gehen, die Affäre mit einer Mitarbeiterin im Jahr 2008. Das sorgte für Nervosität.
Die Interview-Impressionen zeigen, wie ungewöhnlich dieser Menschenfischer an der Spitze des Welt-Währungsfonds wirkte, sonst Arbeitsstätte nüchterner Technokraten, die Geldmassen bewegen, aber dabei selten die Massen. Einer von Strauss-Kahns Vorgängern hieß: Horst Köhler.
Sie zeigen aber auch, wie sehr die Angst vor einer neuen Krise über dem Franzosen schwebte - selbst wenn wegen seiner erfolgreichen Amtsführung längst IWF-Mitarbeiter "Yes, we Kahn"-Shirts trugen und Strauss-Kahn zum Hoffnungsträger der Sozialisten für die kommenden französischen Präsidentschaftswahlen avanciert war. » | Von Gregor Peter Schmitz, Washington | Montag, 16. Mai 2011